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Politik > Katastrophale Umfragewerte für Olaf Scholz

Schwächster Kanzler aller Zeiten?

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Olaf Scholz stolpert von einem Missgeschick zum nächsten. Seine Ampelregierung ist zerstritten und schlingert durch die Krisen. Der Kanzler wirkt führungsschwach und hat einen veritablen Skandal am Bein. Seine Umfragewerte werden immer schlechter. In Berlin wird er wahlweise mit Kurt-Georg Kiesinger verglichen oder als „schwächster Kanzler aller Zeiten“ eingeschätzt. Von Wolfram Weimer

Quelle: Shutterstock
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Olaf Scholz erleidet einen Sommer des spektakulären Niedergangs. Seine Beliebtheitswerte sinken nicht bloß, sie stürzen regelrecht ab. Inzwischen sind nach einer neuen Insa-Umfrage 62 Prozent der Deutschen mit der Arbeit von Scholz unzufrieden, so viele wie nie zuvor. Nur noch 25 Prozent bewerten den Kanzler positiv. In einer vergleichbaren Umfrage zeigten sich Anfang März noch 46 Prozent der Befragten mit Scholz' Arbeit zufrieden, nur 39 Prozent gaben an, unzufrieden damit zu sein. Der Kanzlerabsturz im Ansehen vollzieht sich also rasch und gewaltig.

Könnten die Deutschen heute noch einmal wählen - Scholz würde jedenfalls kein Kanzler mehr. Bei einer Direktwahl käme Olaf Scholz mit kläglichen 18 Prozent derzeit abgeschlagen hinter Vizekanzler Robert Habeck und jetzt auch hinter Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) ins Ziel.

Das miserable Ansehen des Kanzlers und seiner Ampelregierung (auch sie wir von 65 Prozent der Deutschen jetzt negativ bewertet) reißt die SPD in den Umfragen mit nach unten. Die Sozialdemokraten liegen mit 18 bis 19 Prozent inzwischen näher bei der AfD als bei den Grünen - und satte 10 Prozentpunkte hinter der - vor einem halben Jahr halb tot geglaubten - CDU.

Kurzum: Für eine Kanzlerpartei inmitten einer außenpolitischen Krise ist die Stimmungslage ein Desaster.

Die Kommentarlage in den deutschen wie internationalen Medien über Scholz klingt ebenfalls bitter. Im Ausland wird er wegen seiner Zögerlichkeit im Ukrainekrieg und der wirren deutschen Energiepolitik als schwacher Kanzler kritisiert, im Inland verlieren Menschen das Vertrauen, dass er die Energie- und Inflationskrise gut lösen kann. Schon kursieren Vergleiche, dass die deutsche Problemlage mit Angela Merkel nicht passiert wäre, dass er die Führungskraft von Helmut Schmidt nicht habe, dass ihm das staatsmännische Format von Helmut Kohl oder Willy Brandt oder Konrad Adenauer fehle.

Im politischen Berlin wird Scholz jetzt häufig mit Kurt-Georg Kiesinger verglichen, der von 1966 bis 1969 als schwacher Übergangskanzler in die Geschichte eingegangen ist. Wie Kiesinger hat auch Scholz überraschende Krisen zu bewältigen und dabei eine schwierige, völlig neue, zerstrittene Koalition zu führen. Wie Kiesinger hat er es mit starken Konkurrenten im eigenen Kabinett zu tun. Damals stachen Wirtschaftsminister Karl Schiller (SPD) und Finanzminister Franz Josef Strauß, (CSU), heraus und ließen den Kanzler klein wirken Heute sind es Robert Habeck (Grüne) und Christian Lindner (FDP), die den Ton der Regierung angeben. Und wie Kiesinger hat auch Scholz die eigene Partei nicht wirklich geschlossen hinter sich. Beide Regierungen fühlen sich damit ähnlich an wie zugige Umsteigebahnhöfe der Berliner Republik - jedenfalls nicht wie der Beginn einer großen Ära.

Hinter dem Vergleichsgeraune Scholz-Kiesinger steht die implizite Frage, ob Scholz nicht eigentlich der schwächste Bundeskanzler sei, den die Republik je hatte?

Es gibt jedenfalls vier Gründe für seine miserable Zwischenbilanz:

Erstens wirkt Scholz außenpolitisch unsicher. In der Ukrainekrise zauderte er wochenlang und wortkarg, blamierte Deutschland mit umprofessioneller Militärhilfe (von der 5000-Helme-Lieferung bis zu ausbleibenden schweren Waffen) und ließ den Eindruck eines unzuverlässigen Alliierten entstehen. Handwerkliche Patzer wie das Zulassen der Holocaust-Tirade gegen Israel durch den Palästinenser-Präsidenten im Kanzleramt vertieften den Eindruck eines Kanzlers, der seiner Rolle noch nicht gewachsen ist. Europapolitisch ist er von Emmanuel Macron regelrecht in die zweite Reihe geschickt worden. Der französische Staatspräsident beansprucht 2022 demonstrativ Europas Führungsrolle, die bis 2021 Angela Merkel inne hatte. Die Putin-Freunde in den eigenen SPD-Reihen von Gerhard Schröder bis Manuela Schwesig erschweren Scholzens Haltung. Auf Scholz lag im ersten Halbjahr das Halblicht des schweigsam Unechten. Er hätte die Chance als Waffenstillstandsvermittler neue Statur zu gewinnen, doch eine staatsmännische Friedensinitiative kommt bislang von ihm auch nicht.

Zweitens versagt der Kanzler bislang in der Lösung der beiden wichtigsten innenpolitischen Probleme. Weder in der Energie- noch in der Inflationskrise findet Scholz die richtigen Maßnahmen oder auch nur die richtige Sprache, um die Bedrohungen für Deutschland abzuwehren. Deutschland droht ein massiver Wohlstandseinbruch und Verlust seiner Wettbewerbsfähigkeit. Millionen haben sogar handfeste Angst vor einem kalten Winter. Der Aktionsplan der Bundesregierung aber wirkt vom 9-Euro-Ticket bis zum Tankrabatt stückwerkhaft und kurzatmig. Strategische Entscheidung, wie etwa das Laufenlassen der Atomkraftwerke, eine große Steuerreform, eine paneuropäische Energieoffensive oder eine Umkehr der EZB-Politik, werden vertagt. Die Bevölkerung spürt zusehends, dass Berlin nur unsicher reagiert, nicht aber mutig agiert.

Drittens ist die Ampelregierung in sich tief zerstritten. Grüne, SPD und FDP ziehen gerade bei den großen Fragen nicht an einem Strang. Habeck und Lindner liefern sich einen Profilierungskampf. Zu viel Streit, zu unklare Linien, zu schwaches oder gar skandalbelastetes Ministerpersonal – die Familienministerin musste schon gehen, die angeschlagene Verteidigungsministerin ist ausgerechnet in einer europäischen Kriegslage eine Blamage. Für Scholz und seine Ampelkoalition wird es aber auch deshalb ungemütlich, weil der linke SPD-Flügel dem Kanzler nach den Wahlniederlagen nicht mehr so willfährig folgen wird. Insbesondere rund um die Aufrüstungsfrage brechen tiefe Gräben bei den Sozialdemokraten auf. Für die Zeit nach der Niedersachsenwahl werden heftige SPD-Debatten erwartet.

Viertens wirkt der neunte Kanzler der Bundesrepublik auch rhethorisch und habituell nicht wie ein kraftvoller Anführer. Keiner der acht Kanzler zuvor kam so spröde daher wie er. Nicht einmal Angela Merkel, jenes aus dem protestantischen Klinkerbau erwachsene Naturell norddeutscher Kühle, Rationalität und Bescheidenheit. Scholz übertrifft seine Vorgängerin noch an technokratischer Nüchternheit, die „New York Times“ brachte gar das böse Etikett vom "größten Langeweiler" in Umlauf und ließ einen Diplomaten verkünden, es sei „aufregender, einem Topf kochendem Wasser zuzuschauen“ als ihm. Sogar das eigene linke Milieu näselt an fehlender Leidenschaft herum. Die ansonsten SPD-freundliche "Frankfurter Rundschau" kritisiert: "Olaf Scholz vermittelt keine Aufbruchsstimmung. Seine Rhetorik ist alles andere als ein guter Einstieg in die Zukunft“. Die linke „taz“ findet ihn „graustichig“. Inzwischen wird auch aus der SPD heraus seine "hermetische Kommunikation“, sein emotionsbefreites Zaudern und seine zeitlupenhafte Unentschiedenheit offen kritisiert. Mit Robert Habeck, Annalena Baerbock und Friedrich Merz profilieren sich gleich drei Spitzenpolitiker als gefühlte Ersatzkanzler – weil alle drei verkörpern, was Scholz fehlt: Entschiedenheit und klare Kommunikation.

Fünftens wird Olaf Scholz mit voller Wucht vom CumEx-Skandal eingeholt. Die Details der Hamburger Finanzaffäre werden immer brisanter. Ermittler der Staatsanwaltschaft Köln haben 214.800 Euro Bargeld im Schließfach des langjährigen Hamburger SPD-Spitzenpolitikers und Weggefährten von Olaf Scholz Johannes Kahrs entdeckt. Kahrs führte den SPD-Kreisverband Hamburg-Mitte und nahm 2017 Wahlspenden von der Warburg-Bank an, nachdem die Hamburger Steuerbehörden eine Forderung aus den Cum-Ex-Deals von rund 47 Millionen Euro an Warburg im Jahr 2016 verjähren ließen. In den inzwischen beschlagnahmten Tagebüchern von Warburg-Bank-Chef Olearius hatte dieser über Treffen mit den SPD-Politikern Johannes Kahrs und Olaf Scholz berichtet. Seither ist der Eindruck eines Hamburger SPD-Klüngels entstanden, und die Opposition unterstellt Scholz Kungelei sowohl mit der Warburg-Bank als auch mit der HSH Nordbank – zulasten der Steuerzahler.

Der Cum-Ex-Skandal gilt inzwischen als der größte Steuerraub der deutschen Geschichte - und Scholz scheint gleich doppelt darin involviert.

Denn nicht nur seine Verbindungen zur Warburg-Bank werfen allerlei peinliche Fragen auf. Auch die Verantwortlichkeit für die HSH Nordbank wird nun neu beleuchtet. Tatsächlich hatte ausgerechnet die Landesbank bei den Cum-Ex-Geschäften ein gewaltiges Rad gedreht. Die von Scholz jahrelang mitverantwortete Nordbank musste alleine 126 Millionen Euro an die Staatskasse zurückzahlen, davon „rund 112 Millionen für gegebenenfalls zu Unrecht erfolgte Steueranrechnungen und rund 14 Millionen für Zinsen“, wie sie formuliert. „Etwaige zu Lasten der Finanzkasse im Zusammenhang mit sogenannten Cum-Ex-Aktiengeschäften erlangte Steueranrechnungen hat die HSH damit ausgeglichen“, erklärte die Bank lapidar. Welche Rolle spielte Scholz bei diesem Vorgang? Bislang schweigt der Kanzler beharrlich zu seinen Treffen mit Banken und beruft sich auf sein Gedächtnis, dass sich nicht erinnern mag.

Die Vergesslichkeits-Strategie mag ihn juristisch durch den Skandal retten.

Doch sie führt dazu, dass man Scholz in dieser Angelegenheit schlichtweg nicht mehr glaubt. Seine moralische Integrität wird tief untergraben - die aber war bislang ein Trumpf von Scholz. Nun wittert nicht nur die Opposition eine größere Skandaldimension als bislang angenommen. Aus den Ermittlungsbehörden und von Journalisten kommen Hinweise, dass bald weitere peinliche Fakten bekannt würden. Der Journalist und Autor Oliver Schröm kündigte an, dass er demnächst in einem Buch („Die Akte Scholz. Der Kanzler, das Geld und die Macht.“) brisante Details über die Verwicklung des Kanzlers veröffentlichen werde. Im Interview mit dem „Tagesspiegel“ erhebt Schröm schwere Vorwürfe gegen den Bundeskanzler und bezichtigt ihn der Lüge. Auf die Frage, ob er beweisen könne, das Scholz lügt, sagt Schröm: „Ja!“ Sein Buch werde das beweisen.

Kurzum: Es braut sich etwas zusammen. Die Affäre habe "das Potential, den Kanzler zu stürzen", unkt der Linken-Politiker Fabio de Masi. Das mag übertrieben sein, aber schädlich für das Ansehen des Kanzlers ist es allemal. Die Diskussion um die rote Laterne im deutschen Kanzlerranking dürfte nicht verstummen.

Zuerst erschienen bei focus.de

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