Karlsruher Urteil zu Klimafonds: Das ändert alles
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat die Nutzung des Coronahilfsfonds für Klima und Transformationsprojekte verboten. Das Urteil ist ein Desaster für die Ampel. Was die Ökonomen jetzt dazu sagen.

Achim Truger, Wirtschaftsweiser: Schlag ins Kontor
„Das Urteil ist ein Schlag ins Kontor für die Bundesregierung. Der Klima- und Transformationsfonds muss um 60 Milliarden Euro gekürzt werden“, so der Sozioökonom zur Deutschen Presse-Agentur. „Es gibt aber immer noch pragmatische Möglichkeiten, den Schaden zu begrenzen.“ Die sauberste, grundsätzliche Lösung sei eine Reform der Schuldenbremse. „Man könnte zum Beispiel regeln, dass nach einer Krise nur schrittweise zur Schuldenregel zurückgekehrt werden muss.“ Möglich sei auch, die Ausnahmeregel der Schuldenbremse weiterhin in Anspruch zu nehmen und über mehrere Jahre eine Notlage auszurufen, weil die Haushalte weiterhin betroffen seien. Alternativ schlug Truger vor, fehlende Einnahmen im Haushalt durch einen befristeten Energie- oder Klima-Soli auszugleichen.
Clemens Fuest, Ifo-Präsident: Neue Notlage ausrufen
„Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat weitreichende Folgen für die Finanzpolitik in Deutschland. Für die Bundeshaushalte der kommenden Jahre ergeben sich erhebliche Einschränkungen, was Ausgaben für die staatliche Unterstützung der Dekarbonisierung angeht. Eine Option besteht darin, nun doch noch für 2023 oder 2024 erneut eine Notlage festzustellen, die Vorgaben der Schuldenbremse für normale Zeiten nicht einzuhalten und die Neuverschuldung zu erhöhen. Ob das mit dem Grundgesetz vereinbar wäre, ist nach diesem Urteil allerdings fraglich. Man müsste die Notlage als Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine darstellen, dieser Angriff liegt nun aber schon mehr als anderthalb Jahre zurück. Alternativ bleibt der Bundesregierung nur die Option, Ausgaben zu kürzen und umzuschichten oder die Steuern zu erhöhen. Zumindest die FDP hat Steuererhöhungen in dieser Legislaturperiode allerdings ausgeschlossen. Jenseits der aktuellen Folgen für den Bundeshaushalt signalisiert das Urteil, dass finanzpolitische Manöver zur Umgehung der Schuldenbremse vom Bundesverfassungsgericht kritisch beobachtet und stark eingeschränkt werden.“
Marcel Fratzscher, DIW-Präsident: Jetzt braucht es eine Reform der Schuldenbremse
„Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds ist gut und sollte eine dringend benötigte Reform der Schuldenbremse anstoßen. Die Versuche der Bundesregierungen in den vergangenen zwölf Jahren, die Schuldenbremse zu umgehen, haben immer absurdere Züge angenommen. Die Schuldenbremse ist nicht mehr zeitgemäß, weil sie der Politik notwendigen Spielraum nimmt, um Krisen zu bekämpfen und Zukunftsinvestitionen zu tätigen. Es ist heute dringender denn je, dass die Bundesregierung eine Investitionsoffensive für Zukunftsinvestitionen startet – in Bildung, Klimaschutz, Innovation und Infrastruktur. Es sind noch genügend Gelder im Klima- und Transformationsfonds, so dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht unmittelbar zu Problemen führen wird. Die Bundesregierung wird jedoch als Konsequenz des Urteils die Schuldenbremse mindestens für ein weiteres Jahr aussetzen müssen, um die für bereits versprochene Maßnahmen notwendigen Kredite aufnehmen zu können. Die Bundesregierung bleibt ihr Versprechen eines Klimageldes weiterhin schuldig. Dies liegt nicht an fehlenden Einnahmen, denn das Klimageld soll durch die CO2-Abgabe finanziert werden. Allerdings gibt die Bundesregierung das versprochene Klimageld in Form massiver Subventionen für billigeren Strom nun lieber den Unternehmen. Angesichts der riesigen Hilfen für die Industrie sollte die Bundesregierung ihre Hilfen sozial ausgewogener gestalten und Menschen mit mittleren und geringen Einkommen nicht vergessen.“
Jens Boysen-Hogrefe, Institut für Weltwirtschaft (IfW): Operation Wahrheit für den Kernhaushalt
„Nun müssen Ausgaben der Sondervermögen in großem Umfang im Kernhaushalt dargestellt werden. Das ist ein enormer Druck angesichts der Ausgabenpläne des Klima- und Transformationsfonds für 2024. Unklar bleibt weiter, was dies für die Rücklagen, die aus Mitteln des Jahres 2020 gebildet wurden und für andere Sondervermögen (mit Ausnahme des Sondervermögen Bundeswehr) bedeutet. Auswege könnten darin bestehen, für das Jahr 2024 wieder eine Notlagensituation zu erklären, was aber ebenfalls verfassungsrechtlich schwierig werden könnte, oder die Milliarden aus dem Klima- und Transformationsfonds mit Zweidrittel-Mehrheit im Grundgesetz festzuschreiben.“