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> Kapitalismus in der USA

Die USA brauchen mehr Kapitalismus

Weltweit gelten die USA als Herzland des Kapitalismus. Doch das war einmal.

Ein neues Buch räumt mit den Vorurteilen des Kapitalismus auf, Quelle: Shutterstock
Ein neues Buch räumt mit den Vorurteilen des Kapitalismus auf, Quelle: Shutterstock

Wenn man sich das aktuelle Ranking des „Index of Economic Freedom“ anschaut, dann haben die USA die schlechteste Bewertung, seit der Index erstmals im Jahr 1995 berechnet wurde. Inzwischen gibt es sogar 16 europäische Länder, die im Vergleich zu den USA eine freiere Marktwirtschaft haben.

Selbst die skandinavischen Länder sind laut dem Index of Economic Freedom wirtschaftlich freier, also kapitalistischer, als die USA. Schweden kommt auf Platz 10 der „Kapitalismus-Skala“, die USA auf Platz 25.

In Europa denken die meisten Menschen, dass es in den USA keinen Wohlfahrtsstaat gebe, und wer ihnen sagt, dass es einen ausufernden Wohlfahrtsstaat in den USA gibt, wird ungläubig angeschaut. Tatsache ist jedoch:

Inzwischen gibt es mindestens hundert Bundesprogramme, die jeweils mehr als 100 Millionen USD jährlich für Transferzahlungen an Haushalte ausgeben, sowie eine ungezählte Anzahl kleinerer Programme. Die Vereinigten Staaten geben 30 Prozent ihres BIP für Transferzahlungen aus, mehr als jedes andere OECD-Land mit Ausnahme Frankreichs, das 31,7 Prozent ausgibt.

Der amerikanische Wohlfahrtstaat

Diese Entwicklung hat eine lange Vorgeschichte, die William Voegeli in seinem Buch „Never Enough: America’s Limitless Welfare State“ schon 2010 kritisierte und mit folgenden Fakten belegte: In den USA stiegen die Ausgaben für Sozialleistungen von 3,57 Milliarden Dollar im Jahr 1940 auf 292 Milliarden Dollar im Jahr 1980. Hatten die Sozialausgaben im US-Haushalt 1970 noch bei 66,7 Milliarden Dollar gelegen, so sollten sie sich bis zum Ende der Dekade auf 247,6 Milliarden Dollar nahezu vervierfachen. Selbst wenn man diese Zahl um die Inflation und den Bevölkerungsanstieg bereinigt, also die Pro-Kopf-Ausgaben inflationsbereinigt berechnet, verdoppelten sich die Sozialleistungen in den USA von 1970 bis 1980. Von Mitte bis Ende der 60er-Jahre in der Amtszeit von Lyndon B. Johnson stiegen die sozialstaatlichen Ausgaben um 12,6 Prozent im Jahr. Von diesem bereits deutlich höheren Niveau aus kletterten sie unter den Präsidenten Richard Nixon und Gerald Ford (1969 bis 1977) um weitere 8,3 Prozent im Jahr. In den vier Jahren der Regierung von Jimmy Carter betrug der Anstieg noch 3,2 Prozent im Jahr.

Gigantische Umverteilung

Und wie sieht es heute aus? Inzwischen, so zeigt das Buch “The Myth of American Inequality” von Phil Gramm, Robert Ekelund und John Early, bekommt das untere 20 Prozent der Amerikaner pro Jahr 45.389 Dollar Transferleistungen. Für die Mittelschicht lohnt es sich immer weniger zu arbeiten:

„Die durchschnittlichen Haushalte des zweiten und mittleren Quintils arbeiteten mehr und verdienten mehr als die des untersten Quintils, und dennoch erhielten die unteren 60 Prozent der amerikanischen Haushalte alle im Wesentlichen das gleiche Einkommen, wenn man die Transferzahlungen und Steuern zusammenzählt und dieses Einkommen um die Haushaltsgröße bereinigt", so belegt dieses Buch. Das kapitalistische Leistungsprinzip gilt in Amerika nicht mehr: Pro Kopf erhält der durchschnittliche Haushalt des untersten Quintils über zehn Prozent mehr als der durchschnittliche Haushalt des zweiten Quintils und sogar drei Prozent mehr als der durchschnittliche Haushalt mit mittlerem Einkommen.

Bezahlt werden diese Transferleistungen in den USA von den Besserverdienern. Während die antikapitalistische Propaganda behauptet, die Reichen zahlten in den USA kaum Steuern, sieht die Realität anders aus: Die oberen 0,1 Prozent in den USA zahlen von zehn verdienten Dollar mehr als vier Dollar Steuern. In den USA zahlen die 20 Prozent der Bestverdienenden heute 83 Prozent der Einkommensteuern und 38 Prozent der Verkaufssteuern.

Überregulierung überall

Auch die Ansicht, in den USA gebe es kaum Regulierungen, ist abwegig.

Antikapitalisten behaupten, dass die Finanzkrise 2008 eine Folge der übermäßigen Deregulierung war. Tatsache ist: Es gab 28 verschiedene Maßnahmen zur Regulierung oder Deregulierung der Finanzindustrie von 1980 bis 2009, also in den Jahren, in denen es angeblich eine hemmungslose Deregulierung der US-Finanzindustrie gegeben hat. Von den 28 Maßnahmen wurden nur fünf zum Abbau von Bürokratie eingesetzt, die übrigen 23 führten zu zusätzlichen Vorschriften.

Unmittelbar vor der Finanzkrise arbeiteten allein in Washington, D.C. 12.190 Personen Vollzeit an der Regulierung des Finanzmarktes - fünfmal so viele wie 1960. Darüber hinaus sind die jährlichen Ausgaben der USA für Bundesbehörden, die mit der Regulierung des Finanzmarktes betraut sind, seit den 1980er Jahren, als die Laissez-faire-Phase begonnen haben soll, von 725 Millionen Dollar auf inflationsbereinigte 2,3 Milliarden Dollar gestiegen.

Und die Überregulierung betrifft alle Bereiche des Lebens in den USA, oft sind sie das Ergebnis des Wirkens von Lobbygruppen: Der Staat New York hat vor kurzem eine neue Vorschrift eingeführt, wonach Shampoo-Assistenten in Schönheits- und Friseursalons eine 500-Stunden Ausbildung für durchschnittlich 13.240 Dollar absolvieren müssen, bevor sie diese komplexe Kunst ausüben dürfen, die die meisten von uns täglich ohne Probleme ausführen.

Amerika ist weit davon entfernt ein Land des “ungezügelten Kapitalismus” zu sein. Es gibt zu viele Regulierungen, zu viele Schulden des Staates, um staatliche Umverteilungsprogramme zu finanzieren und zu hohe Steuern. Amerika braucht nicht weniger, sondern mehr Kapitalismus.

Rainer Zitelmann ist Autor der Bücher „Die 10 Irrtümer der Antikapitalisten“ https://anti-antikapitalisten.de/

und „Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung“ https://kapitalismus-ist-nicht-das-problem.de/

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