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> Israels Militäreinsatz in Gaza

Gescheiterte Anti-Terrorpolitik

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Natürlich darf Israel sich verteidigen. Dass der Konflikt aber dem Gegner nützt, wurde scheinbar nicht bedacht.

The European

Sicher – Israel darf sich natürlich verteidigen, muss es sogar, wenn seine Bürger angegriffen werden. Und jeder Palästinenser in Gaza und auch anderswo weiß, dass die israelische Armee mit aller Härte zurückschlägt, wenn Hamas-Raketen Israelis töten. Das hat sie in der Vergangenheit oft genug bewiesen. Aber genauso müssen die israelischen Generäle und Politiker gewusst haben, dass jeder Weg zu einem Waffenstillstand erst einmal versperrt ist, wenn sie den Militärchef der Hamas Ahmed al-Jabari töten, dass die Hamas keinen Millimeter zurückweichen kann, zumindest in den nächsten Tagen nicht, vielleicht sogar Wochen. Sie sind dennoch diesen Weg gegangen und haben damit bewusst einen Krieg gegen die Menschen in Gaza in Kauf genommen, den Tod vieler Israelis und den Tod von noch mehr Palästinensern. Einen Krieg, von dem sie eigentlich wissen müssten, dass sie ihn zwar militärisch gewinnen werden, der aber eine Wiederaufrüstung der Hamas kaum verhindern wird, es sei denn, Israel will alle Hamas-Führer jagen und töten. Ein Blutbad also. Doch die blutgetränkte Erde von Gaza wäre der ideale Nährboden für neuen Extremismus.

Kein Gewinn an Sicherheit
Weder das gezielte Töten von Hamas-Politikern in der Vergangenheit – manche Beobachter sprechen von Mord – noch die Invasion in Gaza 2008 haben bislang mehr Sicherheit gebracht. Genauso wenig hat die seit fünf Jahren andauernde Wirtschaftsblockade des Gaza-Streifens die Hamas geschwächt. Stattdessen steht heute Israel als der einzige Aggressor da, als ein Staat, der Menschenrechte mit Füßen tritt, der vor Kriegsverbrechen nicht zurückschreckt, mit dem man über Frieden nicht reden kann, zumindest die arabische Welt sieht Israel so. Wieder einmal. Man kann daraus nur folgern: Die Anti-Terrorpolitik Israels im Gaza-Streifen ist gescheitert. Ein Friedensvertrag mit einer Zweistaaten-Lösung ist in weite Ferne gerückt. Auch der gemäßigte Abbas im Westjordanland kann vorläufig nicht mehr mit dem „Kriegsverbrecher“ Netanjahu verhandeln, wie die Palästinenser ihn nennen. Andernfalls verliert er endgültig sein Gesicht und seine Glaubwürdigkeit. Der israelische Premier wird nicht übermäßig traurig sein über diese Entwicklung. Im Gegenteil, mit seiner Politik der Härte erhöht er die Chancen seiner Wiederwahl. Es ist sogar zu befürchten, dass die Hamas nach einem Ende der Kämpfe gestärkt aus ihnen hervorgeht. Militärisch wahrscheinlich nicht mit Sicherheit, aber politisch. Wieder einmal. War die Hamas über Jahre isoliert, fast so etwas wie das Schmuddelkind unter den Palästinensern, hat sie nun in Ägypten einen neuen Freund gefunden, einen Bruder im Geist der Moslembruderschaft, einen ideologischen Verbündeten, der in Israel weniger einen politischen Gegner sieht als einen Glaubensfeind. Der Anführer der Moslembrüder in Ägypten, Mohammed Badie, beschimpfte Israel dieser Tage als „ein Werk des Teufels“. Mit Teufelswerk aber, so muss man wohl schlussfolgern, kann ein guter Moslembruder sich kaum an einen Tisch setzen. Die Kämpfe um Gaza haben zu einem engen Schulterschluss zwischen den beiden Ländern geführt, dessen Konsequenzen noch gar nicht absehbar sind. Eines lässt sich schon heute sagen: Im Augenblick findet eine Verschiebung der Kräfte im Nahen Osten statt, die am Ende auf Kosten von Israel gehen kann. Israel immer isolierter, die Hamas und Ägypten dicke Freunde. Auch wenn der Politologe des Al-Ahram-Zentrums für strategische Studien, Dr. Ziad Akl, ziemlich zuversichtlich ist, dass „die strategische Partnerschaft zwischen den beiden Staaten, die ja schon seit über 30 Jahren hält, sich nicht grundsätzlich ändern wird. Nuancen vielleicht, aber nicht die grundsätzliche Bedeutung.“ Der Grund: auch wenn die Moslembruderschaft versucht, Mursi in eine ganz andere Richtung zu treiben und am liebsten den Friedensvertrag aufgekündigt sähe, weiß der ägyptische Präsident, dass er gar nichts anderes machen kann als Realpolitik. Und dazu gehört auch das Camp-David-Abkommen mit Israel. Ohne den Friedensvertrag – keine Unterstützung der Amerikaner, bei einem Bruch mit Israel droht ein Bruch mit Europa. Israel wird sich aber in Zukunft nicht mehr blind auf einen heimlichen Verbündeten im Kairoer Präsidentenpalast verlassen können. Mubarak war Israels best friend unter den arabischen Gegnern, in diese Rolle wird Mursi nie schlüpfen. Und wie geht es weiter mit den bärtigen Politikern aus Gaza, die sich so gern auf den Koran berufen? Sie drohen, die Gewinner zu werden in diesem nahöstlichen Machtpoker. Sie haben neue Freunde, die sich nun offen zu ihnen bekennen. Unter anderem auch das zwar winzige, dafür aber umso reichere Mini-Emirat Katar. Der Scheich war schon in Gaza. Dafür kann die Hamas sogar den Iran sausen lassen. Kritische Mahnungen von diesen neuen Freunden? Fehlanzeige. Zumindest nicht öffentlich.
Traurige Logik
Da für die Hamas nur ein toter Israeli ein guter Israeli ist, und weil sie weiß, dass möglicherweise in den nächsten Wochen wieder einmal unzählige Palästinenser im Gaza-Streifen sterben werden, verklären sie sie zu Märtyrern mit Vorzugsbehandlung im Jenseits. Keine Seite gab bislang nach, weder Israel noch die Hamas, das Leben der anderen scheint keine wirklich wichtige Rolle im eigenen Machtkalkül zu spielen. Das ist die traurige Logik dieses Dauerkonflikts.
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