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Politik > Iran will „Krebsgeschwür Israel ausrotten“

Iran will „Krebsgeschwür Israel ausrotten“ - greift Israel jetzt die Atomanlagen Irans an?

Israels Regierung wähnt den Iran hinter den brutalen Angriffen auf ihr Land. Teheran selbst macht kein Geheimnis aus seiner Unterstützung von Hamas und Hisbollah. Die martialische Tonlage lässt eine schlimme Eskalation befürchten - denn es gibt verborgene Motive. Ein Schlüsselakteur will „Leichen von Amerikanern sehen“.Von Wolfram Weimer

Rückblickend war es eine Kriegserklärung. Irans Religionsführer und Staatsoberhaupt Ajatollah Ali Chamenei hat in der vergangenen Woche eine vernichtende Drohung gegen Israel ausgesprochen: „Dieses Krebsgeschwür wird, so Gott will, durch das palästinensische Volk und die Widerstandskräfte in der gesamten Region endgültig ausgerottet werden“, drohte Chamenei am vergangenen Dienstag. Am Samstag wurde die Drohung in Teheran veröffentlicht, wenige Stunden später flogen die Hamas-Raketen und das Massaker in Israel begann. Chemenei prahlte in seinem Vernichtungserklärung zugleich, die palästinensische Bewegung sei heute „energischer, lebendiger und besser vorbereitet denn je“.

Nach Informationen des Wall Street Journal (https://www.wsj.com/world/middle-east/iran-israel-hamas-strike-planning-bbe07b25#:~:text=DUBAI—Iranian%20security%20officials%20helped,another%20Iran%2Dbacked%20militant%20group.) war Teheran nicht nur als Finanzier und ideologischer Pate von Hamas und Hisbollah aktiv. Offiziere der iranischen Revolutionsgarden hätten den Großangriff seit August gemeinsam mit der Hamas in Beirut genau geplant. Auch das abschließende Treffen habe in der libanesischen Hauptstadt stattgefunden, heißt es. Neben den Revolutionsgarden, der Hamas und der Hisbollah seien mindestens zwei weitere Milizen, die vom Iran unterstützt werden, an den Treffen beteiligt gewesen. Am Montag vergangener Woche sei die Attacke von Teheran final abgesegnet worden. Am Dienstag hielt Chamenei dann seine Vernichtungsrede.

Der Iran weist diese Darstellung des Wall Street Journal nun eilfertig zurück. Als Verbündeter der Hamas begrüße man die Anschläge in Israel, erklärte die iranische Vertretung bei den Vereinten Nationen. Die Regierung in Teheran sei jedoch nicht direkt in die Aktionen der radikal-islamischen Miliz verwickelt. Die iranische Regierung hat offenbar Sorge, dass Israel nun an Teheran direkt militärisch Rache nimmt. Auch Washington weiß, dass die sofortige Kriegseskalation zwischen Israel und Iran jetzt offen im Raum steht und beschwichtigt, es gebe „noch“ keine Belege für eine direkte Beteiligung des islamischen Regimes an dem Angriff. Doch auch die Amerikaner wissen, dass die Radikalislamisten im Gaza-Streifen tausende von Raketen und Drohnen nur mit iranischer Hilfe auf Israel abfeuern können. Teheran zahlt nicht nur mehrere Millionen Dollar im Monat allein für die Hamas. Die Revolutionsgarden schulen auch beim Raketenbau und der Nutzung der iranischen Shehab-Drohnen, die gegen Israel nun eingesetzt werden. Hamas-Führer Ismail Haniyeh sagte im vergangenen Jahr in einem Interview mit dem TV-Sender Al-Jazeera, dass der Iran insgesamt 70 Millionen Dollar an die Palästinensergruppe gezahlt habe, um ihr bei der Entwicklung von Raketen und Verteidigungssystemen zu helfen.

Tatsächlich ist die islamische Republik seit der Staatsgründung im Jahr 1979 nicht nur Israels selbst erklärter Erzfeind. Die politische und geistliche Führung in Teheran spricht dem jüdischen Staat in aggressivem Tonfall das Existenzrecht ab. Seit den 1990er Jahren baut der Iran dazu gezielt schiitische Milizen als eine „Achse des Widerstands“ gegen Israel auf. Das Regime in Teheran verbreitet Terror und rüstet Hamas in Gaza und Hisbollah im Libanon aus, um Israel einem Zangenangriff auszusetzen.

Teheran hat drei verborgene Motive, warum man den Angriff genau jetzt starten lässt. Erstens lenkt ein außenpolitischer Konflikt von den inneren Unruhen ab. Die Freiheitsbewegung, insbesondere der iranischen Frauen, erschüttert das Regime seit Monaten und untergräbt seine Autorität. Vor wenigen Tagen erst hat die inhaftierte iranische Frauenrechtlerin Narges Mohammadi den Friedensnobelpreis erhalten - eine internationale Schmach für das Mullah-Regime und eine drohende Initialzündung für neuen inneren Widerstand. Die Attacke auf Israel durch die Hamas wirkt daher wie eine brutale Antwort auf die Nobelpreisentscheidung. Motiv: Ablenkung.

Zweitens stehen Saudi-Arabien und Israel unter der Vermittlung der USA unmittelbar vor einer historischen Normalisierung ihrer diplomatischen Beziehungen. Sogar ein Friedensabkommen stand im Raum. Aus Sicht Irans hätten sich damit die drei Erzfeinde verbündet und das Kräftegleichgewicht im Nahen Osten zuungunsten Teherans und der Palästinenserverschoben. Erst vor wenigen Tagen hat mit Israels Tourismusminister Haim Katz erstmals ein israelischer Minister offiziell Saudi-Arabien besucht. Kurz darauf folgte der israelische Kommunikationsminister Schlomo Karhi und feierte in Riad symbolträchtig das jüdische Laubhüttenfest. Netanjahu hatte zur UN-Generalversammlung eine Karte präsentiert, die Israel umringt von seinen neuen und potenziellen Verbündeten zeigte. Iran sah sich ausgestochen. Mit dem nun eröffneten Krieg zerstört Teheran die neuen Bande, weil ein Friedensabkommen zwischen Israel und Saudi-Arabien inmitten eines Krieges unmöglich wird. Motiv: Sabotage.

Drittens sorgt der Ukrainekrieg dafür, dass man in Teheran die Gelegenheit geostrategisch als günstig wähnt. Die USA seien abgelenkt und militärisch gebunden. Zudem hat Iran mit Russland eine neue militärische Allianz aufgebaut und versorgt die russischen Invasionstruppen in der Ukraine mit Drohnen. Auch für Russland wirkt ein Israel-Krieg als willkommene Ablenkung und Schwächung der westlichen Kräfte. Hamas-Chef Ismail Haniyya hatte sich vor einem Jahr zu Gesprächen mit Russlands Außenminister Sergej Lawrow gesprochen. Nach Auskunft des Kremls ging es bei den Treffen damals auch "um eine Schwächung des Westens“. Motiv: Bündnislogik.

Da die Konfliktlage mit Blick auf Iran also viel größer ist als die Gewalt rund um den Gazastreifen, befürchten Militäranalysten eine baldige Eskalation. Zum einen hat die Hisbollah mit Angriffen aus dem Libanon eine zweite Front eröffnet. Zum anderen wird ein massiver Schlag israelischer Bodentruppen gegen den Gazastreifen erwartet. Israels Regierung erwägt aber auch, den Iran direkt mit Raketen oder Flugzeugen anzugreifen. Vor allem um die dortigen Atomanlagen zu zerstören. Israel sieht sich durch iranische Atombomben in seiner schieren Existenz bedroht. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat den Iran schon vor dem Hamas-Massaker als "wichtigsten Feind“ bezeichnet und mehrfach ein militärisches Vorgehen angedeutet, falls Teheran sein Atomprogramm fortsetzt. Nun da die Hilfstruppen Irans ihrerseits angegriffen haben, könnte sich Israel berechtigt fühlen, einen Luftschlag ohne weitere Ankündigung auszuführen. In Washington herrscht deswegen hohe Alarmstimmung. US-Präsident Biden hat die sofortige Verlegung einer Trägerkampfgruppe ins östliche Mittelmeer angekündigt.

Die Amerikaner sorgen sich vor allem um die Absichten von Esmail Qaani, dem Kommandeur der für Auslandseinsätze zuständigen Quds-Einheit der iranischen Revolutionsgarden. Qaani führt die Al-Quds-Truppe, eine auf Auslandseinsätze spezialisierte Eliteeinheit mit 10.000 bis 15.000 bewaffneten Männern. Er leitete nach Geheimdienstinformationen auch das Entscheidungstreffen zum Hamas-Massaker in der iranischen Botschaft in Beirut. Qaani positioniere sich seit einiger Zeit in der Region neuer aKriegsführer. So habe er pro-palästinensische Massendemonstrationen der Hamas in Katar für sich nutzen wollen. Auf dieser rief Hanijah vor einiger Zeit den Protestieren zu, dass die Hamas noch lange nicht alle ihr zur Verfügung stehenden Kräfte eingesetzt habe und  "Widerstand der kürzeste Weg nach Jerusalem ist“. Offenbar hat Qaani Interesse an einer Verschärfung des Konflikts. Der Generalmajor war einst Stellvertreter des durch amerikanische Drohnen getöteten Quasem Soleimanis und drohte damals im iranischen Fernsehen: „Gott, der Allmächtige“ werde Rache üben: „Wartet ab, bald werdet ihr überall im Nahen Osten Leichen von Amerikanern sehen.“

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