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> Innovation in der Nachmachwirtschaft

Idee sucht Nische

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Wirkliche Innovation ist nicht der zehnte Aufguss einer guten Idee. Was wirklich Sinn stiften soll, darf nicht im Hier und Jetzt verharren.

The European

Das Verhältnis von Angebot und Nachfrage ist die Grundlage unseres wirtschaftlichen Treibens. Dabei ist es interessant, immer wieder zu beobachten, dass es auf einmal eine Nachfrage nach Produkten gibt, die es ein Jahr zuvor noch gar nicht gab. Hier kann man nach allgemein zwei Gruppen unterscheiden: Die sogenannten „me too“-Produkte (englisch für „ich auch“), also das hundertfünfzigste Gel, das zweihundertste Shampoo. Hier findet keine wirkliche Innovation statt, sondern mit Hilfe großer Marketingbudgets wird ein neues Beauty-Produkt dem Markt präsentiert. Den Konsumenten wird über die Aufbereitung des Produkts, der Marketing-Erzählung, eine Lebenswelt ausgebreitet, in der er oder sie sich gerne sehen.

Neues Lebensgefühl trifft Innovation
Die zweite Sorte von Produkten, die neue Nachfragen schaffen, entstehen durch technologischen Fortschritt. Ein viel genutztes Beispiel ist der Laptop, der in seiner superleichten Gestalt heute Einzug in die Lebens- und die Arbeitswelt vieler Menschen gefunden hat. Ein anderes Beispiel sind verbrauchsreduzierte Autos, die aufgrund neuer Leichtbauweisen, also technologischer Innovation, den Markt erobert haben. Effizientere Motoren wurden im vergangenen Jahrzehnt zu einem immer größeren Thema. Die Entwicklungsabteilungen der großen deutschen Premium-Hersteller haben hier einiges an Lösungen aufgefahren. Die Apple-Produkte – unter die Kategorie fallen ja Laptops mit Leichtbauweise meist – sind ein interessantes Zwitter-Produkt. Sie verdanken ihren Erfolg einer schönen äußeren Form, die sie zu den neuen Status-Symbolen in der Lebenswelt vieler Menschen haben werden lassen und in ihrem Inneren bergen sie technologische Neuerungen: Hier paart sich neues Lebensgefühl durch Marketingerzählung mit technologischer Innovation. Der Zusammenhang von Angebot und Nachfrage wird immer wieder thematisiert. Erzeugen wir künstliche Nachfrage durch ein Angebot, das eigentlich nicht werthaltig ist, da es die Grundbedürfnisse des Menschen nicht stillt? Über die Grundbedarfssicherung sind wir in unseren Breiten ja längst hinaus. Es lässt sich daher weithin beobachten, dass ein gestilltes Bedürfnis meist ein neues Bedürfnis erzeugt. Es liegt anscheinend in der Natur des Menschen, dass er nie zufrieden sein kann, sondern immer nach Neuem strebt. Es gab in der Geschichte immer wieder Ansätze – die Stoiker beispielsweise, "über die ich vorvergangene Woche schon einmal geschrieben habe":http://www.theeuropean.de/alexander-goerlach/5378-okonomie-von-gut-und-bose – die versucht haben, unser Anspruchdenken zu reduzieren oder gar die Nachfrage auf das Angebot zu beschränken. Sie haben selbst dafür ein Leben lang trainiert, aber dieser Weg scheint der menschlichen Natur zu widersprechen. Der von mir sehr geschätzte Tomáš Sedláček beschreibt dies sehr treffend in seinem äußerst lesenswerten Buch „Die Ökonomie von Gut und Böse“. Zu welchem Bereich gehören denn die Unternehmen der Start-up-Industrie? Auch hier gibt es zahllose „me-too-Gründungen“. Und nicht alles, was technologiegetrieben ist, verdient auch den Stempel „innovativ“. Aber: Viele junge Unternehmen der Branche arbeiten heute in der Tat an Produkten, die auf den technologischen, digitalen Wandel aufsetzen. Ein Großteil dieser Start-ups sucht sich eine Nische, von der aus sie die technologischen Neuerungen in Produkte überführen, die für eine bestimmte Gruppe einen Mehrwert bieten. Damit gehören sie zur zweiten Kategorie der oben beschriebenen Produkte. Soundcloud ist dafür ein gutes Beispiel: Es ist das YouTube für Sound, was mehr heißt als Musik, sondern Klang, Laute bedeutet. Soundcloud definiert sich ständig neu, als Radio, als Plattform für Künstler, als Social-Media-Plattform für das Teilen von persönlichen Aufnahmen. Damit stiftet es einen Sinn für unzählige Menschen. Hätten Sie nicht besser, zufriedener, glücklicher gelebt ohne diesen ganzen Social-Media-Kram? Die Antwort darauf haben interessanterweise Barack Obama und Mitt Romney in ihrem letzten Fernseh-Duell vor der Wahl am 6. November gegeben. Herausforderer Mitt Romney warf Barack Obama vor, dass die Marine der USA heute so viele Schiffe hätte wie 1917. Der amtierende Präsident konterte damit, dass es 1917 auch noch Pferde und so gegeben habe und er, Romney, dahin ja wohl nicht ernsthaft zurück wollen möchte. Die Schiffe heute seien – technologische Innovation – anders drauf, fähiger als im Jahr 1917. Das sei das Entscheidende. Das gilt, Sprung zurück in die Start-up-Industrie und zu Soundcloud, ja auch für Tonträger: Wer sich an das Aufspulen einer selbst aufgenommenen, rauschunarmen Kassette mit dem Bleistift erinnert, für den sind Produkte wie Soundcloud ein Segen.
Produkte können zum Fetisch werden
Es liegt in unserer Natur, immer weiter zu wollen. Natürlich gibt es Produkte, die Schrott sind. Natürlich werden Produkte jeder Art gerne auch einmal zum Fetisch. Der gesunde Menschenverstand ist allerdings nicht immer auf Urlaub. Klar könnte die deutsche Automobilindustrie immer noch so tun, als müssten alle mit großen Autos rumfahren. Tut sie aber nicht. Der Präsident des Verbands der deutschen Automobilindustrie gibt zu Protokoll, dass er gerne auch mal mit dem Fahrrad fährt. Das Interesse, dennoch weiterhin Autos zu verkaufen, widerspricht dem keineswegs. Mobilität in Städten ändert sich. Car-Sharing-Angebote wie DriveNow von BMW sind die Antwort darauf. Es sind neue Angebote, für die es ganz klar eine implizite Nachfrage gab, bevor die Produkte dafür geschaffen wurden. So sieht künftig die Mobilität in Städten aus. Oder möchte jemand wieder auf Pferde und Kutsche umsteigen? _Newconomy ist die neue Kolumne der Berliner Start-up-Industrie. Sie beschreibt Szenen auf der Schnittstelle zwischen neuer und klassischer Ökonomie, zwischen Politik und Unternehmertum. Newconomy ist gesponsert durch die Factory, "der neue Start-up-Standort in Berlins Mitte":http://blog.theeuropean.de/2012/06/kooperation-mit-the-factory/ "https://www.facebook.com/FactoryBrln":https://www.facebook.com/FactoryBrln "www.factoryberlin.com":http://www.factoryberlin.com twitter: "@factoryberlin":https://twitter.com/factoryberlin._
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