Die Angst vor dem Alleinsein
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Der Abzug der ISAF-Truppen in Afghanistan läuft. Doch was für ein Land werden wir hinterlassen? Viel hängt davon ab, wie wir uns auch nach 2014 noch um die Afghanen und ihren Staat kümmern werden.

Der bevorstehende NATO-Gipfel in Chicago soll einer der Verpflichtungen sein: zur Vollendung des Übergabeprozesses und zur Unterstützung Afghanistans über 2014 hinaus. Zurück von meinem inzwischen 17. Afghanistanbesuch ist mein Bild sehr zwiespältig. Erheblicher Rückgang der Sicherheitsvorfälle (32 Prozent), der Operationen von Aufständischen (43 Prozent) und ISAF, einzig Anstieg der Operationen der afghanischen Sicherheitskräfte. Das meldet das Afghanistan NGO Safety Office für das erste Quartal 2012 gegenüber dem Vorjahrszeitraum. Ob das Anzeichen einer Trendwende zur Übernahme der Sicherheitsverantwortung sind oder nur eine trügerische „Pause“, ist strittig. Fakt ist: Der militärische Rückzug von ISAF läuft an. Bis Ende dieses Jahres zieht sich ISAF aus den östlichen wie aus den westlichen Provinzen der Nordregion zurück und konzentriert die schrumpfenden Kräfte im Zentrum. Mit den Konfliktprovinzen Faryab und Badghis im Nordwesten müssen die afghanischen Kräfte dann allein „fertigwerden“. Vor Ort wird häufig der Verdacht geäußert, dass die Übergabe der Sicherheitsverantwortung nach politischen Interessen und nicht nach den tatsächlichen Bedingungen in den Distrikten erfolgt. Ein gigantisches Unternehmen wird die Rückführung der ISAF-Ausrüstung, im Fall Deutschlands allein 6.000 Container und 2.000 Fahrzeuge. Da die Pakistanroute mal geschlossen, mal unsicher ist, werden auch die großen Regionalkommandos im Süden und Osten die Nordroute nutzen müssen. Ein Trend zeichnet sich ab, dass über die Bewältigung der Rückverlegung kaum noch Kräfte für den UN-Auftrag von ISAF bleiben, für ein sichereres Umfeld zu sorgen.