Liebes Ritual
Unser Kolumnist musste in seinem Leben auch schon durch das eine oder andere fragwürdige Ritual. Und findet es schade, dass die Bundeswehr nun darauf verzichten soll.

HÖREN SIE – vorweg möchte ich meine Bestürzung über den dramatischen Tod der beiden Marinesoldatinnen der Gorch Fock und mein Mitgefühl für die Angehörigen zum Ausdruck bringen. Dieser Satz war übrigens ein Ritual. Zugegebenermaßen: kein fragwürdiges. Weil auf dem einstigen Vorzeige-Schulschiff der deutschen Marine angeblich "menschenverachtende Bräuche“ eingerissen sind, steht also das Ritual an sich auf dem Prüfstand. Besonders grotesk ist, dass gerade jene Medien, die mit Begeisterung über Schafshoden runterwürgende, in Kakerlaken badende und mit Stromschlägen gemarterte F-Prominente im Dschungelcamp berichten und ihre eigene Auflage daran befeuern, mit Entsetzen und gekünstelter Angewidertheit auf die traditionelle Äquatortaufe bei der Marine reagieren. Sicher ist so eine Äquatortaufe, wo Soldaten in fiesem Sud, der oft nicht nur nach Kotze aussieht, baden, Tabascodrinks exen und unter johlender Menge nackt mit Mehl bestäubt und über Deck gejagt werden, für uns Außenstehende – nun ja – seltsam. Wahlweise: befremdlich. Zumal diese launige Show gemeinerweise nicht live auf RTL übertragen wird – und somit also als geheim und deshalb höchst verdächtig gelten muss.