Der Mittelstand zwischen M&A-Boom und Existenzsicherung
Die Dynamik auf dem Feld der Unternehmenstransaktionen könnte derzeit kaum größer sein. Nachdem sich laut Erhebungen von KfW Research die M&A-Deals im Mittelstand 2020 zunächst halbierten, entwickelt sich 2021 nach Prognosen der Nachrichtenagentur Reuters zu einem Jahr neuer Höchststände bei Fusionen und Übernahmen. Ein Trend, der in Zeiten von demografischem Wandel und wirtschaftlichen Transformationsprozessen für den Mittelstand auch 2022 weiter an Bedeutung gewinnen wird. Umso dringlicher stellt sich die Frage, wie sich die Unternehmensnachfolge erfolgreich gestalten lässt. Von Reiner Grönig.

Cash-Reserven, Investoreninteresse & Innovationsdruck: Gelegenheit für den Generationenwechsel?
Über 5 Billionen US-Dollar an Transaktionsvolumen werden bis zum Jahresende laut dem Informationsdienst Bloomberg in 2021 weltweit umgesetzt sein, allein 150 Milliarden Euro davon auf dem deutschen Markt. Dass so viel wie Bewegung in der Unternehmenslandschaft wie selten ist, mag auf den ersten Blick erstaunen. Denn nach wie vor ist die Bewältigung der Corona-Krise nicht abgeschlossen, für viele Betriebe die Existenzsicherung im Fokus. So ging etwa die Anzahl der Verkaufsangebote auf der bundesweiten Unternehmensnachfolgebörse nexxt des BMWi im Frühjahr 2020 um mehr als 50% zurück. Nach einem Report des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) sanken ebenfalls die Anzahl der Beratungsanfragen zum Thema Unternehmensnachfolge in über 70% der hiesigen Industrie- und Handelskammern. Doch die neuen Rekordzahlen aus 2021 zeigen, dass diese Entwicklung durch andere Markttrends in Sachen Unternehmensnachfolge zunehmend überlagert wird.
Zu den Gründen dafür zählt etwa die hohe Marktliquidität. Investoren und Private Equity (PE) Gesellschaften, aber auch Unternehmen, die von der beschleunigten Digitalisierung profitieren, können mittlerweile auf große Cash-Bestände zurückgreifen. Mangels alternativer, attraktiver Anlageformen und weiterhin begünstigt durch eine europäische Niedrigzinspolitik rücken auch deutsche KMUs als Übernahmeziel oder für Beteiligungen zunehmend in den Fokus. Laut dem Private Equity Trend Report 2021 des Beratungsunternehmens PricewaterhouseCoopers (PWC) halten fast die Hälfte der befragten PE-Investoren Deutschland für den attraktivsten Investitionsstandort innerhalb der EU. Verstärkt wird die Dynamik durch strategische Zukäufe von Unternehmen, die so aktuelle krisenbedingte Herausforderungen wie Lieferengpässe nachhaltig für sich lösen wollen.
Kein Käufer in Sicht? - Mit Strategie und Erfahrung die Verkaufschancen steigern
Eigentlich gute Grundvoraussetzungen für mittelständische CEOs und Geschäftsführer, die Unternehmensnachfolge besser früh als spät aus einer starken Verhandlungsposition heraus zu gestalten. Denn zu erwarten ist, dass in den kommenden Jahren durch die vielen Gründer und Firmenchefs aus der Generation der Baby-Boomer, die den Weg in den Ruhestand antreten, das Angebot für Unternehmensverkäufe zunehmen wird. Schätzungsweise streben bereits heute 30.000 - 40.000 KMUs aus der DACH-Region jährlich eine Unternehmensnachfolge an. Die von vielen präferierte familieninterne Übergabelösung wird laut dem Gründungsmonitor der KfW dabei immer seltener. Umso wichtiger ist es, sich bestmöglich für den Verkaufsprozess gegenüber externen Interessenten aufzustellen. Auf dem komplexen Anwendungsfeld der Unternehmenstransaktionen, bei denen neben rechtlichen und steuerlichen Aspekten auch eine fundierte betriebswirtschaftliche Analyse und antizipative Verhandlungsstrategien von entscheidender Bedeutung sind, können professionelle Berater mit Expertise und Erfahrungswerten, die Chance auf einen erfolgreichen Verkauf deutlich erhöhen. Ein externer Blick auf das eigene Unternehmen aus der Investorenperspektive hilft dabei, den Unternehmenswert bereits vor den ersten Verhandlungen zielgerichtet zu steigern. Neben abstrakten Komponenten wie der Branchenzugehörigkeit oder der Geschäftsvision, richtet sich der Fokus vor allem auf Struktur und Profitabilität des Unternehmens. In der Begleitung von mehr als 100 Unternehmenstransaktion von der Erstanalyse bis zur Deal-Abwicklung konnten ich und meine Kollegen in vielschichtigen Mandaten erkennen, dass es vor allem ein emotional anspruchsvoller Prozess bleibt, der zu einer wirtschaftlich überzeugenden Lösung für beide Seiten zu moderieren ist.
Die Zukunft des Mittelstands: Zwischen Erwartungshaltung und Verantwortung
Denn es lässt sich immer wieder beobachten, dass mit viel Potential gestartete Übernahmebestrebungen am Ende an subjektiven Hürden scheitern, weil die Visionen von Käufer und Verkäufer zu unterschiedlich sind. Auch wenn die Politik die Nachfolge-Problematik und ihre Dimension für den als zuverlässigen Arbeitgeber und Innovationstreiber so bedeutenden Mittelstand erst spät erkannt hat, bietet sich für KMUs objektiv nach wie vor die Chance, ihr Fortbestehen in kommenden Generationen an Unternehmern unter Wahrung ihrer wirtschaftlichen Werthaltigkeit zu sichern.