Leider verschätzt: Hubertus Heil braucht mindestens zwei Milliarden Euro mehr fürs Bürgergeld
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Weil die wirtschaftliche Lage trüb ist und so viele Flüchtlinge kommen, beziehen mehr Menschen Bürgergeld als gedacht. Jetzt braucht der Arbeitsminister deswegen mehr Geld vom Steuerzahler. Zu den 2,1 Milliarden Euro, die er bereits beantragt hat, könnten noch weitere Milliarden kommen. An einer Erhöhung des Bürgergelds zum nächsten Jahr hält der Minister trotzdem fest.Von Oliver Stock / The European

Das Arbeitsministerium von SPD-Minister Hubertus Heil hat sich im vergangenen Jahr, als es darum ging, die Ausgaben für das neue Bürgergeld zu berechnen, um 2,1 Milliarden Euro verschätzt. Das geht aus einem Schreiben von Finanz-Staatssekretär Florian Toncar (FDP) an den Haushaltsausschuss hervor. Die Gesamtausgaben für das reine Bürgergeld sollten ursprünglich 23,76 Milliarden nicht überschreiten. Jetzt wird mehr gebraucht.
Das Ministerium begründet die zusätzlich beantragte Summe auf Anfrage so: Der Ansatz beruhe auf Annahmen vom Herbst 2022. „In der Zwischenzeit sind Faktoren hervorgetreten, die aktuell die Ausgaben steigen lassen. Die unterjährige Entwicklung verläuft ungünstiger als seinerzeit erwartet war.“ Dass der Ukraine-Krieg andauere, führe dazu, „dass die geflohenen Menschen nicht zurück in ihre Heimat können. All das führt zu diesen Mehrkosten.“
Hinter der Erklärung aus dem Ministerium stecken tatsächlich zwei Entwicklungen. Deutschland steckt länger und tiefer in einer wirtschaftlichen Rezession, als das vor einem Jahr von politischer Seite prognostiziert wurde. Kein anderes Land in der EU entwickelt sich derzeit so schwach, woraus abzulesen ist, dass einige Wirtschaftsprobleme hausgemacht sind.
Der zweite Grund: Das Bürgergeld haben im ersten Halbjahr 2023 vorwiegend ausländische Familien erhalten unter ihnen viele Menschen, die aus der Ukraine geflüchtet sind und unmittelbar Anspruch auf diese Staatsleistung haben. 62 Prozent der Bürgergeld-Empfänger sind keine deutschen Bürger, wie aus der Statistik hervorgeht, die das Haus von Arbeitsminister Heil jüngst veröffentlicht hat. Insgesamt erhielten demnach bis Juli 2023 genau 576.747 Familien Bürgergeld. 354.826 dieser Familien besaßen keine deutsche Staatsangehörigkeit. Davon wiederum waren nur 15 Prozent aus einem EU-Mitgliedstaat.
Das jetzt nur 2,1 Milliarden Euro Steuergeld mehr notwendig sind ist aber nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich erhalten Bürgergeldempfänger über den sogenannten Regelbedarf hinaus, für den jetzt eine höhere Summe fällig wird, oft noch weitere Leistungen wie Eingliederungshilfen oder Geld für eine Unterkunft. Wenn nun mehr Bürgergeldempfänger als gedacht, ausgezahlt werden müssen, dürften sich auch die weiteren Leistungen deutlich verteuern und im Extremfall noch einmal mehr als zwei Milliarden zusätzlich nach sich ziehen.
Das Bürgergeld war in diesem Jahr als Nachfolge-Modell für sogenannte Hartz-IV-Zahlungen eingeführt worden. Seither ist es für die Empfängerinnen und Empfänger leichter die Unterstützung zu bekommen. So werden die Kosten der Wohnung ohne weitere Prüfung für ein Jahr übernommen und auch das Schonvermögen, das Bürgergeldempfänger besitzen dürfen, stieg für die ersten zwölf Monate auf 40 000 Euro. Mit der Umstellung stiegen auch die Regelsätze: Alleinstehende Menschen bekommen seither 502 Euro im Monat, das sind 53 Euro mehr als zuvor.
Trotz der unerwarteten Mehrkosten hält Heil daran fest, dass das Bürgergeld zum Jahreswechsel noch einmal kräftig steigen soll. Alleinstehende erhalten dann anstelle von 502 Euro im Monat 563 Euro. Für Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren sollen künftig 471 statt 420 Euro gezahlt werden. Über zwei Jahre gesehen erhöhen sich damit die staatlichen Leistungen um rund 25 Prozent. Heil selbst bezeichnet das als „erheblichen Schritt“. Gerade in Krisenzeiten müsse man sich auf den Sozialstaat verlassen können.
Der haushaltspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Christian Haase, sieht das anders. „Die Steigerungen zeigen, dass dieses System falsche Anreize setzt. Zu viel Hängematte, zu wenig Fordern und Fördern“, lautet seine Einschätzung.