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> Grüner am Ende: Rücktritt von Jürgen Trittin

Smoke on the water

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Jürgen Trittin, Fraktionschef der Grünen, gibt sein Amt auf. Die große Schnauze ohne Schnauzer tritt ab. Mach's hübsch.

The European

Weg, weg, weg – ach, ist das herrlich. Niederlagen können so wunderschön sein. Erst der sensationelle Freitod der Freidemokraten mit brutaler Fallhöhe von 14,6 Prozent 2009 hinab ins Niemandsland. Und jetzt ein Dominoeffekt, als fielen Weihnachten und Ostern auf einen Tag. Erst Roth, dann Trittin. Geht jetzt auch noch die letzte Bewahrerin der Schöpfung, die DDR-Evangelistin Göring-Eckardt ins Exil? Pustekuchen. Die noch mehr vermerkelte Betschwester der Partei ist während des Wahlkampfes so wenig aufgefallen, dass sie nun hoffen kann, die wenigen Grünwähler hätten das in vier Jahren alles schon wieder vergessen und kündigt salbungsvoll ihre Kandidatur für den neuen Fraktionsvorsitz an: „Wir haben eine schwere Führungsaufgabe, dafür werde ich Verantwortung übernehmen.“ Dass die Partei allerdings besonders schwer an Gestalten wie sie selbst eine ist zu schleppen hat, scheint ihr dabei entgangen.

Vom bürgerlichen Vorschlaghammer sedierte Grüne
Trittin hat die Anti-Trittin-Stimmung in den eigenen Reihen hingegen schnell gewittert und seinen Abgang getwittert. Ein reinigendes grünes Gewitter über Twitter. Sie wissen schon, einem dieser ruchlosen NSA-Kurznachrichten-Partner aus den USA. Ausgerechnet. Denn auch zu diesem düsteren Masterthema des 21. Jahrhunderts haben die Grünen sich zu keiner gemeinsamen Haltung durchringen können. Eigentlich zu überhaupt keiner, wie zu den meisten Masterthemen der Zeit. Ja doch, sie hatten einen Masterplan. Damals. Sie wollten aber erst den dicken Kohl vom Sockel stoßen und dann endlich, endlich jene Neo-68er-Politik machen, die sie, als es 1998 nach 16 langen Jahren Kohl im Gefolge dieser Originalausgabe niedersächsischer Selbst- und Dickgefälligkeit endlich so weit war, in einer Total-Amnesie einfach vergessen hatten. So gesehen, sind die von Schröder und Fischer mit dem bürgerlichen Vorschlaghammer sedierten Grünen die Geburtshelfer einer heute allmächtig erscheinenden Kanzlerin Angela Merkel. Und so gesehen wundert es dann auch nicht, wenn der Stachel der Machtlosigkeit Politprostitution provoziert und nicht wenige Grünen-Parteisoldatenpazifisten ihre konservativsten Dessous anziehen, um Mutti doch noch zu überreden mit ihnen ins Bett zu steigen. Da wurde gepokert, geschmeichelt, gelockt. Gott sei Dank hat sich da aber schon der „Absolute Mehrheit“-Seehofer ganz, ganz breit gemacht und mit seinen bayrischen Kumpanen Nato-Stacheldraht um die Wohlstandsmatratze gespannt. Also kein Platz für irgendwelche überhasteten grünen Schlafzimmer-Polittantra-Experimente mit unwilliger Mutti.
Großer Zapfenstreich auf Grünisch
Partystimmung: Die große Schnauze ohne Schnauzer tritt nun ab. Klar, er muss die attraktive rote Sahra mit ihren attraktiven Angeboten noch auf der Türschwelle gesehen haben. Allein ihm fehlte die Kraft. Sahra hatte zwar, wenn auch sicher mit Widerwillen und allenfalls für Deutschland, bereitwillig die rot-rot-grüne Patchwork-Decke zurückgeschlagen, aber Jürgen steckte auf.  Hatte genug. Einfach genug. Und schritt von dannen mit seinen grünen Geheimnissen aus 30 Jahren der Selbstbeschmutzung, des Umfallens und des andauernden Verrats an grünen Positionen, bis am Ende alles nur noch eklig nach oller Frankfurter Schule roch. Nach Macht und nach Karrieregeilheit, nach Frustration. Trittin wendet sich nun ab von dieser Niederlage, wie sich zuvor schon angewidert seine Wähler von ihm abgewandt haben. Ein letzter großer Fischerismus des kleinen Trittin-Fischers zum Abschied und die rausgestammelten Worte eines Wütenden: „Die Partei braucht einen personellen Neuanfang.“ Haha. Klar gab es dafür lang anhaltende Standing Ovations im Saal. Großer Zapfenstreich auf Grünisch. Hätte nicht viel gefehlt und der scheidende Räuberhauptmann hätte sich noch einen Song wünschen dürfen. So wie damals Guttenberg, mit dem Trittin nun fast zusammen im Kabinett gesessen hätte, wenn für beide alles irgendwie anders gekommen wäre. Also mach’s hübsch Jürgen: Smoke on the water.
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