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> Griechenland und der europäische Binnenmarkt

Markt radikal

Ein Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone wäre keine Lösung. Eine befristete Wiedereinführung von Importzöllen ist bis jetzt erstaunlicherweise nicht in der Diskussion.

The European

Ein Doppeldefizit des Staatshaushalts und der Zahlungsbilanz charakterisierte Griechenlands Wirtschaft schon vor dem Ausbruch der globalen Finanzmarktkrise. In diesem Punkt unterschied sie sich etwa von Spanien oder Irland, die zwar Leistungsbilanz- aber kaum Staatsdefizite hatten. Durch die Krise stiegen in Griechenland das Haushaltsdefizit und die ohnehin schon hohe Staatsverschuldung dramatisch an. Zwei Optionen bestimmen in der derzeitigen Debatte den Lösungsraum für die EU und Griechenland: Abwertung + Insolvenz oder Kredite + Konditionalität.

Zölle sind die direkte Antwort auf das griechische Doppeldefizit
Im ersten Fall würde Griechenland seine Wettbewerbsfähigkeit durch Austritt aus der Euro-Zone wiederherstellen. Die Abwertung würde aber das Haushaltsdefizit bestenfalls langfristig reduzieren, wenn es zu einem Aufschwung der Exportindustrie oder importsubstituierender Produktion käme. Kurzfristig erhöht sich die Schuldenlast real stark, da sie ja in Euro besteht. Deshalb wird die Abwertung in einem Atemzug mit einer (partiellen) Streichung der Staatsschulden im Rahmen einer mehr oder weniger geregelten Insolvenz gesehen. Im zweiten Fall erhält Griechenland weiter Kredite von der EU und vom IWF, muss aber strenge Auflagen erfüllen. Bisher hat diese Politik zu einem massiven Wachstumseinbruch, zunehmender Ungleichheit und sozialen Konflikten geführt. In der Folge stieg die Schuldenstandsquote (= Schulden/BIP) rasch, da im Zähler die Schulden weiter zunehmen, im Nenner das BIP sogar schrumpft. Politisch werden Europa und der IWF zum grausamen Buhmann der Griechen. Die weitere Finanzierung des sinkenden, aber weiter hohen Leistungsbilanzdefizits über die Targetkonten der EZB könnte dem ifo-Institut zufolge in Zukunft auf Probleme stoßen. Eine bisher kaum diskutierte Option wäre dagegen ein zeitlich begrenzter und verhandelter „Austritt“ Griechenlands aus dem Binnenmarkt, bei dem die EU dem Land die Wiedereinführung von Importzöllen gestatten würde. Zölle würden die Importe verteuern und so das Leistungsbilanzdefizit reduzieren. Kombiniert mit Maßnahmen der Exportförderung kämen sie einer Abwertung gleich. Obendrein hätten sie den Charme, die Staatseinnahmen zu erhöhen. Sie würden zwar die Realeinkommen senken, aber ähnlich wie bei einer Abwertung könnte die griechische Regierung einen solchen Schritt leichter verkaufen als Nominallohnkürzungen. Zölle sind somit eine direkte Antwort auf das griechische Doppeldefizit.
Rückschlag für die europäische Integration
Auch diese Maßnahme wäre ein Rückschlag für die europäische Integration. Aber sie wäre leichter zu kontrollieren und auch wieder zurückzuführen als ein Austritt aus der Währungsunion. Sie sollte zeitlich befristet sein und die Höhe der Zölle sollte langsam abnehmen. Das Eintrittsniveau wäre etwa in Höhe der zu erwartenden Abwertungsrate im Falle eines Austritts aus der Euro-Zone, also bei ca. 50 Prozent, anzusetzen. Eine Variante könnte darin bestehen, die Einnahmen unter europäischer Kontrolle direkt zum Schuldenabbau zu verwenden. Europa und insbesondere Deutschland müssen begreifen, dass freie Güter- und Kapitalmärkte in einer Währungsunion ohne Ungleichgewichte nicht zu haben sind. Entweder man schafft die dafür notwendigen Finanzierungsmodelle durch eine stabile Kreditversorgung sowie eine Fiskal- und Transferunion oder man muss die Marktfreiheiten an anderer Stelle beschränken.
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