„Goethe eignet sich nicht zum Säulenheiligen“
Als Lottes Vater ist Burghard Klaußner momentan im Film "Goethe!" auf der Kinoleinwand zu sehen. Mit Alexander Görlach sprach er über die Faszination der literarischen Figur Goethe und seine Bedeutung für eine deutsche Leitkultur.

*The European: Wie nähert man sich heute der Epoche von Goethe an?* Klaußner: Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sich dieser Zeit anzunähern. Einmal natürlich als Historiker, oder eben als Schauspieler in einem historisch geprägten Film. Wenn man mit einem solchen Drehbuch konfrontiert ist, hält man sich in erster Linie an das, was drin steht. Da bedarf es auch keiner Quellenforschung, denn Film ist Film und nicht Wissenschaft. Hier ist also das Annähern an die Epoche eher dem Schauspieler als dem historisch Interessierten anheimgegeben. Aber natürlich fällt auf, wie frei "Goethe!" sein Sujet behandelt. *The European: Wenn man als Schauspieler das Angebot erhält, in einem Film über Goethe mitzuwirken, erstirbt man da nicht erst einmal in Ehrfurcht?* Klaußner: Da wird in erster Linie eine anfängliche Skepsis um sich greifen. Es ist natürlich immer schwer, Geschichten über Personen der Historie zu erzählen – und dann vor allem über Personen, die Kultur und Literatur so entscheidend geprägt haben. Es gibt viele Beispiele, wo das gar nicht oder weniger gut gelungen ist. Man liest das Drehbuch also mit viel Neugier. In diesem Fall fand ich den Ansatz beherzt leichtfüßig und insofern auch charmant, sozusagen einen sehr frühen Goethe zu betrachten, der als Aufbruchscharakter gezeigt wird, also eine Geschichte über das "coming of age". Und vernünftigerweise entgeht man damit der Schwierigkeit, einen entwickelten Charakter zu zeigen, der uns heute vor allem durch seine Werke und sein Wirken bestens zugänglich ist. Das ist schwer und kann das Medium Film auch überfordern. *The European: Ist das Ausweichen auf die Jugend die einzige Möglichkeit, noch Neues zum Leben und zur Person eines wichtigen Menschen wie Goethe hinzuzufügen? Das Gesamtleben vom Tode aus betrachtet und rückwärts gedeutet ist ja bei solchen Persönlichkeiten immer schon ausreichend beleuchtet worden.* Klaußner: Natürlich ist es ein interessanter Ansatz für historische Figuren, die Frage nach der Herkunft und den Anfängen zu stellen. Da muss man nicht das ganze Lebenswerk im Blick haben. Das macht der Film "Goethe!" auch genau so. Er zeigt, dass eine gescheiterte Juraausbildung und ein leidenschaftlicher Feuerkopf ausreichen – in Verbindung mit einer schönen, auch gescheiterten Liebesgeschichte –, um eine fantastische Erzählung wie den "Werther" zu schreiben. Der Film beschäftigt sich mit den Einflüssen, die vor dem großen Werk kamen und dafür prägend waren. Das könnte vor allem Jugendliche ja befeuern, diese Initialzündung, die sich eigentlich jeder für das eigene Leben wünscht.