5 Vorschläge für ein Anti-Ramsch-Gesetz
Jeder kennt das: Handys, für die es nach zwei Jahren kein Update mehr gibt, Notebooks, in denen der Akku fest verklebt und damit nicht austauschbar ist, Wegwerfmode, sogenannte „fast fashion“, die nur wenige Male getragen werden kann und dann verfeuert oder deponiert werden muss: Es gibt viele Beispiele für die Verkürzung der Lebens- und Nutzungsdauer von Produkten, in der Fachsprache auch als „Obsoleszenz“ bezeichnet. Diese ist nur zum Teil geplant, zum anderen Teil ergibt sie sich schlicht aus den Produktionsverhältnissen sowie aus den Geschäftsmodellen der Handelskonzerne. Letztere versuchen, mit nur geringen Margen Gewinne über schnelle Umsätze, späte Zahlungsziele bei den Herstellern und durch Zwischenparken der Erlöse auf den Finanzmärkten zu erzielen. (Jaeger-Erben et al. 2016, S. 94)

1# Ideen gegen Wegwerfkapitalismus - Antiramschgesetz
- Katja Kipping
Diesen Produktions- und Vermarktungsmodellen kommt es entgegen, wenn Produktdesigns immer häufiger so ausgelegt sind, dass Neukauf günstiger als Reparatur ist. Auch die Hersteller profitieren vom Neukauf stärker als von einer funktionierenden Reparaturinfrastruktur. Der Widerstand gegen Regulierungsversuche, die auf Reparierbarkeit statt Neukaufanreiz setzen, ist entsprechend groß. So kämpft Apple mit massivem Lobbyaufwand gegen „right-to-repair”-Gesetze in verschiedenen US-Bundesstaaten. (Koebler 2019)
KonsumentInnen können sich gegen die Lebensdauerverkürzung nicht durch Konsumentscheidungen wehren. Sie kennen die Schwachstellen der Geräte nicht. Deswegen entsteht ein Teufelskreis. Die geringe Erwartung an die Haltbarkeit der Produkte senkt die Zahlungsbereitschaft, was sich wiederum negativ auf die Qualität der verbauten Komponenten und die Produktentwicklung niederschlägt. Es entsteht eine „Abwärtsspirale der Erwartungen“. (Wieser und Tröger 2015, S. 74 ff.)
Die Folgen sind verheerend. So werden in großem Umfang Ressourcen und Energie verbraucht und Unmengen an Elektroschrott produziert. Dagegen wenden sich 5 Vorschläge gegen eine Wegwerfproduktion und ein Anti-Ramsch-Gesetz:
Recht auf Reparatur
Hersteller werden gesetzlich verpflichtet, Geräte reparaturfähig zu gestalten; also ohne übliche Reparaturverhinderungsstrategien wie festes Verkleben, sodass bei Öffnen das Gerät irreparabel zerstört wird; und keine Verbindungen, die sich nur mit Spezialwerkzeugen öffnen lassen. Standardisierung und Normung von Reparierbarkeit sollte unterstützt werden. Das österreichische Institut für Normung hat beispielsweise eine österreichische Norm für Reparierbarkeit mit Kriterien für Langlebigkeit und ein eigenes Gütezeichen hierfür entwickelt. (Eisenriegler 2015, S. 292)
Im Zeitalter der 3-D-Drucker muss die Herstellung von Ersatzteilen erleichtert werden, insbesondere wenn Ersatzteile nicht mehr beim Gerätehersteller oder bei Ersatzteilzulieferern verfügbar sind.
Darüber hinaus ließe sich diskutieren, ob z.B. durch einen ermäßigten Steuersatz für Reparaturdienstleistungen oder steuerliche Absetzbarkeit von Reparaturen ein Anreiz für „Reparatur statt Neukauf“ gesetzt werden könnte.
Effektiv gegen geplante Lebensdauerverkürzung vorgehen.
Seit 2015 ist in Frankreich die absichtliche Verkürzung der Produktlebensdauer eine Straftat. Hersteller können für Einbau einer Schadhaftigkeit, nicht sicherheitsbedingter Sollbruchstellen vorzeitigen programmierten Funktionsstopps oder beabsichtigter Nichtkompatibilität (Schridde 2015, S. 2) empfindlich bestraft werden.[1] Die Erfahrungen mit diesem Gesetz sollten auch für Deutschland geprüft werden. Bereits jetzt formuliert das Kreislaufwirtschaftsgesetz eine Produktverantwortung, die z.B. fest verbaute Akkus eigentlich ausschließt. Dies ist jedoch so lasch formuliert, dass dies bisher ohne Konsequenz bleibt. Dies muss klarer formuliert und sanktioniert werden.
5 Jahre Mindestlebensdauer für Elektrogeräte
Es braucht eine Mindestlebensdauer von mindestens fünf Jahren, die sich über eine Umsetzung der EU-Ökodesignrichtlinie realisieren ließe. Die könnte ggf. durch eine Überarbeitung des Gewährleistungsrechts unterstützt werden. Deutschland befindet sich mit einer Gewährleistungspflicht von nur 2 Jahren in Europa am unteren Ende des europarechtlich möglichen. In Island und Norwegen gibt eine Gewährleistung von fünf, in Irland, England und Wales sogar von sechs Jahren.[2]. Das wäre gegenüber einer Herstellergarantieaussagepflicht, wie sie das Umweltbundesamt vorschlägt, die weitergehende Variante.[3]
Darüber hinaus müsste die kurze Beweislastumkehr von nur einem halben Jahr auf die gesamte Laufzeit des Gewährleistungsanspruchs ausgedehnt werden. Zum leichteren Beweis müssen Bestandteile wie Elektromotoren in Geräten verpflichtend mit Seriennummern ausgeliefert werden.
Besonders goß ist der Handlungsbedarf bei digitalen Geräten. Deren Lebensdauer wird häufig durch die Software und nicht die Hardware verkürzt. Handys und Tablets werden nach wenigen Monaten Nutzung bereits als überholt vom Markt genommen. VerbraucherInnen wird dabei suggeriert, ihre wenige Monate alte Hardware hielte den aktuellen Erfordernissen an Leistungsfähigkeit und Performance nicht mehr stand. Hierbei werden durch Vertragskonstrukte VerbraucherInnen dazu gebracht, ihre noch einwandfrei funktionierenden Geräte durch neue zu ersetzen.
Software muss so entwickelt werden, dass sie über lange Zeiträume auch „abwärtskompatibel“ ist. Sicherheitsupdates, Upgrades und Support müssen den Anforderungen an die Mindestnutzungszeiten von Geräten Rechnung tragen und für wesentlich längere Zeiträume und mehrere System- und Gerätegenerationen gleichermaßen als funktional konzipiert werden.
Ressourcenverbrauchsabgabe für sozialökologische Umverteilung
Eine Abgabe auf Primärrohstoffe fördert die Kreislaufwirtschaft und setzt Anreize für ressourcenschonende Produktionsweisen. Ein aus der Abgabe gespeister Fonds könnte für die Unterstützung einkommensarmer Haushalte beim Ersatz energieintensiver Geräte durch sparsame Geräte genutzt werden.[4]
Aufbau einer ökologischen Sozialwirtschaft
Kommunen müssen dabei unterstützt werden, sozialwirtschaftliche Mechatronikbetriebe und Reparaturcafés aufzubauen und Angebote wie die sozialökologische Umverteilung von reparierten Haushaltsgeräten zu fördern. (Eisenriegler 2015, S. 300)
Zu häufig gestellten Fragen gibt es hier ein kurzes FAQ.
Literaturverzeichnis
Antrag der Abgeordneten Ralph Lenkert, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, Herbert Behrens, Karin Binder, Heidrun Bluhm, Roland Claus, Kerstin Kassner, Sabine Leidig, Michael Leutert, Dr. Gesine Lötzsch, Thomas Lutze, Birgit Menz, Dr. Kirsten Tackmann, Hubertus Zdebel und der Fraktion DIE LINKE: Längere Lebensdauer für technische Geräte -Drucksache 18/9179-. Online verfügbar unter dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/091/1809179.pdf.
Balde, Cornelis P.; Forti, Vanessa; Gray, Vanessa; Kuehr, Ruediger; Stegmann, Paul (2017): The Global E-waste Monitor 2017. Quantities, Flows and Resources. Bonn, Genf, Wien (United Nations University, International Telecommunication Union, and International Solid Waste Association). Online verfügbar unter globalewaste.org/wp-content/uploads/2018/10/Global-E-waste-Monitor-2017.pdf.
Eisenriegler, Sepp (2015): Obsoleszenz – Ein Impuls aus Österreich. In: Tobias Brönneke und Andrea Wechsler (Hg.): Obsoleszenz interdisziplinär: Vorzeitiger Verschleiß aus Sicht von Wissenschaft und Praxis. 1. Aufl. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, S. 289–308.
Jaeger-Erben, Melanie; Winzer, Janis; Marwede, Max; Proske, Marina (2016): Obsoleszenz als Herausforderung für Nachhaltigkeit. Ursachen und Alternativen für Kurzlebigkeit in der „Wegwerfgesellschaft“. In: Holger Rogall, Hans Christoph Binswanger, Felix Ekardt, Anja Grothe, Wolf-Dieter Hasenclever, Ingomar Hauchler et al. (Hg.): Im Brennpunkt: Ressourcenwende - Transformation zu einer ressourcenleichten Gesellschaft. Marburg: Metropolis Verlag (Jahrbuch Nachhaltige Ökonomie, 5.2016/2017), S. 91–122.
Koebler, Jason (2019): Apple Is Telling Lawmakers People Will Hurt Themselves if They Try to Fix iPhones. Vice motherboard. Online verfügbar unter www.vice.com/en_us/article/wjvdb4/apple-is-telling-lawmakers-people-will-hurt-themselves-if-they-try-to-fix-iphones.
Oehme, Ines; Jacob, Anett; Cerny, Lisa; Fabian, Matthias; Golde, Michael; Krause, Susann et al. (2017): Strategien gegen Obsoleszenz : Sicherung einer Produktmindestlebensdauer sowie Verbesserung der Produktnutzungsdauer und der Verbraucherinformation. Für Mensch & Umwelt. Hg. v. Deutschland. Umweltbundesamt. Fachgebiet Ökodesign, Umweltkennzeichnung, umweltfreundliche Beschaffung und Deutschland. Umweltbundesamt. Fachgebiet Rechtswissenschaftliche Umweltfragen (Herausgebendes Organ). Dessau-Roßlau (Position). Online verfügbar unter www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/2017_11_17_uba_position_obsoleszenz_dt_bf.pdf.
Plenarprotokoll 17/234, Stenografischer Bericht, 234. Sitzung. Beratung des Antrags der Abgeordneten Ralph Lenkert, Karin Binder, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Ressourcenschutz durch Vorgabe einer Mindestnutzungsdauer für technische Produkte - Drucksache 17/13096. Online verfügbar unter dip21.bundestag.de/dip21/btp/17/17234.pdf.
Prakash, Siddhartha; Deutschland / Umweltbundesamt; Deutschland / Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit; Öko-Institut (Hg.) (2016): Einfluss der Nutzungsdauer von Produkten auf ihre Umweltwirkung : Schaffung einer Informationsgrundlage und Entwicklung von Strategien gegen "Obsoleszenz" ; Forschungskennzahl 3713 32 315, UBA-FB 002290. Texte ; 2016, 11 (Für Mensch & Umwelt). Online verfügbar unter https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/texte_11_2016_einfluss_der_nutzungsdauer_von_produkten_obsoleszenz.pdf.
Schridde, Stefan (2015): Geplante Obsoleszenz lässt sich stoppen : Frankreich macht es der EU vor und will Hersteller bestrafen, die absichtlich schlechte Waren produzieren. In: Umwelt aktuell : Infodienst für europäische und deutsche Umweltpolitik (2), Seite 2 - 3.
Wieser, Harald; Tröger, Nina (2015): Die Nutzungsdauer und Obsoleszenz von Gebrauchsgütern im Zeitalter der Beschleunigung. = The use-time and obsolescence of durable goods in the age of acceleration. Wien: Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien. Online verfügbar unter www.arbeiterkammer.at/infopool/wien/Bericht_Produktnutzungsdauer.pdf.
Fußnoten
[1] Sie kann mit bis zu 2 Jahren Haft, 300.000 Euro Geldstrafe oder alternativ bis zu 5 % Prozent des Jahresumsatzes bestraft werden. Derzeit läuft ein Verfahren gegen den Elektronikhersteller Apple, der bereits eingestanden hat, die Leistungsfähigkeit bestimmter Modelle nach einer gewissen Zeit gedrosselt zu haben. Auch gegen die Druckerhersteller Canon, HP, Brother und Epson sind Anzeigen auf Grund wegen Verstoß gegen das Verbrauchergesetzbuch eingegangen. Vgl. HOP porte plainte contre Apple pour obsolescence programmée. Online verfügbar unter https://www.halteobsolescence.org/hop-porte-plainte-contre-apple-obsolescence-programmee.
[2] www.evz.de/fileadmin/user_upload/eu-verbraucher/PDF/Joint_Project_Garantien/EU_Vergleichstabelle_zu_Gewaehrleistung_und_Garantie.pdf
[3] Oehme et al. 2017, S. 3
[4] Vgl. Antrag DIE LINKE; Drs. 18/9179, S. 3
[6] challengeobsolescence.info
[7] Hausding, Götz: Kein Bedarf für "Recht auf Reparatur". Online verfügbar unter https://www.bundestag.de/presse/hib/580974-580974; Recht auf Reparatur: Petition mit 108.000 Unterschriften übergeben. Online verfügbar unter https://www.heise.de/make/meldung/Recht-auf-Reparatur-Petition-mit-108-000-Unterschriften-uebergeben-4234204.html.
Quelle: Katja Kipping