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> Für Frieden und internationale Ordnung

Multinationale Aufgaben werden immer wichtiger

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Der Generalleutnant der Luftwaffe beschreibt bei einer BBUG-Veranstaltung in Berlin gut ausgebildete und flexibel einsetzbare Luftstreitkräfte als Rückgrat von Frieden und internationaler Ordnung.

The European

Die sicherheitspolitische Lage unserer Zeit ist weniger vorhersehbar denn je. Die entscheidende Lehre aus den vergangenen Monaten ist, dass wir nur mit einem an Recht, Freiheit und Verantwortung orientierten, klaren sicherheitspolitischen Kompass eine Chance haben, den Risiken unserer Zeit zu begegnen. Dies schließt auch militärisches Handeln und den Einsatz von Luftstreitkräften ein. Unser derzeitiges strategisches Umfeld ist von einer Vielzahl aktueller Herausforderungen und neuartiger Gefährdungen gekennzeichnet. Zahlreicher und in Wirkung und Brutalität bedrohlicher, sind die Krisen und Konflikte näher an Deutschland herangerückt, von denen ich hier drei – vor allem mit Fokus auf den Einsatz von Luftstreitkräften – ansprechen möchte: Zuallererst stellt der Konflikt in der Ukraine die nach Ende des Kalten Krieges gewonnene europäische Friedensordnung infrage und weckt Bedrohungsängste vor allem bei unseren osteuropäischen Nachbarn. Trotz des Minsker Abkommens kommt es immer wieder zu Kämpfen in der Ukraine. Eine Lösung des Konflikts scheint weit entfernt. Russland nutzt im Osten der Ukraine militärisch offen oder auch verdeckt Chancen zur Steigerung der eigenen Machtbasis. Im Baltikum hat die Allianz schnell reagiert und ihre Präsenz auch mit deutschen Beiträgen zum Schutz des Luftraums über dem Bündnisgebiet verstärkt. Der Syrienkrieg, mein zweites Beispiel, findet auch im fünften Jahr kein Ende. Es ist der Weltgemeinschaft innerhalb dieser Zeit nicht gelungen, das Töten und Sterben zu beenden. Aktuell müssen wir mit Entsetzen das Scheitern der Bemühungen, ein Ende der Luftangriffe auf Aleppo zu erwirken, zur Kenntnis nehmen. Eng verbunden damit ist der dritte, unser sicherheitspolitisches Umfeld prägende Faktor, der internationale Kampf gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat (IS)“. Es ist keine zwei Jahre her, dass der Siegeszug der Terrormiliz kaum zu stoppen schien. Heute verliert der IS an Territorium und das vom IS ausgerufene Kalifat schrumpft. Das Engagement der Anti-IS-Koalition und der irakischen Sicherheitskräfte hat sich ausgezahlt. Auch der deutsche Beitrag bei der Ausstattungs- und Ausbildungsunterstützung im Nordirak und der Einsatz der Luftwaffe im Kampf gegen den IS in Syrien sind dabei entscheidende Punkte. Militärische Anforderungen und der Blick auf die Bedeutung von Luftstreitkräften ändern sich. Ein gutes Beispiel hierfür sind die diesjährig erzielten Ergebnisse des NATO-Gipfels von Warschau, bei dem die Rolle der NATO als zentraler Sicherheitsgarant im euroatlantischen Raum unterstrichen wurde. Neben der Implementierung der Gipfelbeschlüsse von Wales 2014 haben die Staats- und Regierungschefs insbesondere eine verstärkte Militärpräsenz in den Baltischen Staaten und Polen beschlossen. Hierzu trägt auch die Luftwaffe bei. Hätten wir uns vor vier bis fünf Jahren über die Rolle und Bedeutung von Luftstreitkräften unterhalten, hätte der alleinige Fokus auf asymmetrischen Konflikten gelegen. Diese verengte Sichtweise hat sich gewandelt.

Was zeichnet Luftstreitkräfte also besonders aus?
Sie sind – wie kein anderes Element der modernen Streitkräfte – aufgrund ihrer Geschwindigkeit und Reichweite geeignet, schnell politische Optionen zu öffnen. Gerade bei der Betrachtung der klassischen Bündnisverteidigung, einschließlich der Abschreckung, steht die Bedeutung der Luftstreitkräfte außer Frage. Doch auch beim Krisenmanagement bleiben Luftstreitkräfte ein bevorzugtes Instrument: schnell verlegbar, über große Entfernungen einsetzbar, gut skalierbar und damit hervorragend geeignet, politische Signale zur De- oder Eskalation senden zu können. Insofern kann für die Bedeutung von Luftstreitkräften grundsätzlich festgehalten werden, dass sie exklusive Fähigkeiten und Handlungsoptionen bieten, über die in dieser Form und Ausprägung klassischerweise keine andere Teilstreitkraft oder staatliche Organisation verfügt. Um dies auch in Zukunft sicherzustellen, muss ein breites und einsatzbereites Fähigkeitsprofil vorhanden sein, das wir gemeinsam mit unseren Partnern in NATO und EU abstimmen. Gerade der Aspekt „gemeinsam“ ist aus Sicht der Luftwaffe entscheidend, zumal die heutigen sicherheitspolitischen Herausforderungen aufzeigen, dass keine Nation in der Lage ist, ihnen allein zu begegnen. Multinationales Zusammenwirken wird zum Imperativ, der nicht nur in Gipfelbeschlüssen fixiert wird, sondern konkret mit Leben zu füllen ist. Dieser Herausforderung stellt sich die Luftwaffe, zumal keine andere Teilstreitkraft so international ausgerichtet war, ist und bleibt wie wir. Dies ist unser Schlüssel zum Erfolg. Aktuelle Beiträge der Luftwaffe zu multinationalen Einsätzen sind im Schwerpunkt: * Mission Counter Daesh über Syrien und dem Nordirak mit dem Waffensystem Tornado und dem Tankflugzeug A310 MRTT * regelmäßig beim Verstärkten Air Policing Baltikum mit dem Waffensystem Eurofighter * Resolute Support in Afghanistan mit Transporthubschraubern CH53 und dem unbemannten Luftfahrzeug Heron 1 * Minusma in Mali mit Heron 1 und Objektschutzkräften Auch in der Zukunft werden wir als Luftwaffe konkret aufgefordert sein, substanzielle und qualitativ hochwertige Fähigkeiten einzubringen. Die Anforderungen an eine hohe Einsatzbereitschaft ergeben sich vor allem aus der Kurzfristigkeit unserer Einsätze. Wie schnell die Luftwaffe konkrete Einsatzverpflichtungen zu erfüllen hat, haben wir Ende 2015 mit der raschen Verlegung der Waffensysteme Tornado und des Tankflugzeuges A310 MRTT auf den Stützpunkt Incirlik in der Türkei gezeigt. Der notwendige Kampf gegen die Terrororganisation IS ließ die Entscheidung zu einem militärischen Einsatz nach den Anschlägen in Paris in bis dato ungekannter Schnelligkeit erforderlich werden. Auch als Mitte Juli nach der Verschlechterung der Bedrohungslage mehr als 150 Personen aus dem Südsudan ausgeflogen wurden, stellte die Luftwaffe ihre hohe Einsatzbereitschaft, Reaktionsfähigkeit und Professionalität nachdrücklich unter Beweis. Um auch zukünftig kurzfristige Aufgaben erfolgreich erfüllen zu können, brauchen unsere Piloten und Besatzungen ausreichend Übungen und Flugstunden für ihre Ausbildung. Die Luftwaffe benötigt außerdem genügend Munition für ihre Waffensysteme, um letztendlich einen glaubwürdigen Beitrag zur gemeinsamen Abschreckung und Verteidigung Europas leisten zu können. Der tägliche Routinedienst in Deutschland bildet dafür erst die Grundlage. Er garantiert den hohen Leistungsstand unseres Personals in den fliegenden Verbänden, bei den Verbänden der Flugabwehr, im Bereich der Luftraumüberwachung und Flugleitung, dem Objektschutz und in den logistischen Verbänden.
Zukunft heißt Fähigkeitsentwicklung.
Hier sind wir auch dank wichtiger Entscheidungen der letzten Monate auf einem sehr guten Weg. Die Weiterentwicklung von Eurofighter und Tornado, die Modernisierung des Lufttransports, der Fähigkeitserhalt und -ausbau der bodengebundenen Luftverteidigung sowie die Weichenstellungen für unbemannte Luftfahrzeuge richten die Luftwaffe konsequent auf die Herausforderungen der Zukunft national und multinational aus. Die Weiterentwicklung von Luftstreitkräften ist ein kontinuierlicher Prozess, der Entwicklungen aufnimmt und maßgebliche Einflüsse auf die eigene Leistungsfähigkeit erkennen und langfristig berücksichtigen muss. Hierbei kommt der Strategieentwicklung eine große Bedeutung zu. Die zu Jahresbeginn 2016 veröffentlichte Militärische Luftfahrtstrategie komplementiert die Luftfahrtstrategie der Bundesregierung von 2014 und eröffnet wesentliche Feststellungen für die Zukunftsentwicklung der Luftwaffe. Demnach ist es militärisch sinnvoll, zwei unterschiedliche Kampfflugzeugtypen mit teilweise überlappenden Fähigkeiten parallel zu betreiben – derzeit die Waffensysteme Tornado und Eurofighter. Mit dem Waffensystem Eurofighter verfügt die Luftwaffe über eines der besten Kampfflugzeuge weltweit, wobei das Potenzial mit der Luftverteidigungsrolle noch nicht ausgeschöpft ist und wir aktuell die allwetter- und präzisionsfähige Luft-Boden-Rolle realisieren. Unsere Waffensysteme Tornado stellen ihre Leistungsfähigkeit in der Mission Counter Daesh einmal mehr unter Beweis, zudem sind weitere umfangreiche Modernisierungsmaßnahmen geplant, die aktuell sukzessive ausgearbeitet werden. Die Nutzungsdauer des Waffensystems Tornado wurde bis 2035 verlängert. Dennoch machen es die Erfahrungen und Erfordernisse notwendig, dass wir bereits jetzt anfangen, über notwendige Schritte und Entscheidungen nachzudenken, da die Entwicklung hochkomplexer Waffensysteme sehr langwierig ist. Gerade deshalb kommt unseren Überlegungen zur Zukunft unserer Luftwaffe eine große Bedeutung zu. In Bezug auf die Ausgestaltung der künftigen Luftflotte zielen unsere Überlegungen nicht auf ein reines Nachfolgemodell für das Waffensystem Tornado. Vielmehr betten wir unsere Ideen in ein Konzept ein, das luftgestützte Fähigkeiten in einem Systemverbund bereitstellt. Bemannte und unbemannte Luftfahrzeuge sind hierbei nicht mehr als eigenständige Systeme zu betrachten, sondern als Teil eines Netzwerks, in welchem sich ihre spezifischen Vorteile bündeln. Wir denken dabei im Zentrum an ein bemanntes Luftfahrzeug, das in der Lage ist, als „Command Fighter Advanced“ ein Luftkampfsystem zu führen. Ein „Command Fighter Advanced“ sollte im Rahmen des Gesamtsystems durch unbemannte Luftfahrzeuge, die einfacher gebaut und deswegen kostengünstiger zu haben sind, ergänzt werden, um im Team die jeweiligen Stärken einzubringen. Mir ist klar, dass all diese Überlegungen weit vorausschauend sind und einen noch fernen Planungshorizont berühren. Zugleich drängt bereits die Zeit für grundsätzliche Entscheidungen. Angesichts eines Vorlaufs für die Einführung fliegender Waffensysteme von rund 20 Jahren stoßen wir die Diskussion bewusst jetzt an. Zusammenfassend betrachtet wird die heutige und zukünftige Bedeutung von Luftstreitkräften durch ihre aktuellen Einsätze ebenso bestimmt wie durch die Herausforderungen der Zukunft. Gut ausgerüstete und flexibel einsetzbare Luftstreitkräfte mit ihrer besonderen Reichweite, Präzision und Flexibilität bleiben auch künftig die unverzichtbare Rückversicherung zur Wahrung und Sicherung des Friedens sowie der internationalen Ordnung. Dieser Verantwortung stellen wir uns – als Team Luftwaffe – im siebten Jahrzehnt unseres Bestehens. _Die 139. BBUG hatten erstmals einen Vertreter aus der Bundeswehr in ihren Reihen. Bei Rekrutierung wie Personalführung steht die Bundeswehr in ihren unterschiedlichen Organisationsstrukturen vor ähnlichen Herausforderungen wie Unternehmen der freien Wirtschaft, so dass der gewinnbringende Austausch nach beiden Seiten auch künftig vertieft werden soll._
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