Vom “Hosianna” zum “Kreuzige ihn”
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Franz Münteferings Bonmot, der SPD-Vorsitz sei das schönste Amt neben dem Papst, hat sein Verfallsdatum lange überschritten. Niemand mehr beneidet den Pontifex nach den jüngsten Medienkampagnen. Während die SPD sich langsam erholt, rutschte Benedikts Popularität auf ein Niveau, das zur deutschen Gesellschaft paßt.

Die Sympathiewerte von SPD und Papst liegen heute gleichauf bei etwa 30 Prozent. Doch die Fallhöhe Benedikts XVI. in der öffentlichen Meinung ist weit größer: Nur noch jeder dritte Bundesbürger findet laut Forsa seine Amtsführung “sehr gut” oder “gut”, 2007 waren es doppelt so viele. Das Vertrauen in ihn sank allein zwischen Ende Januar und Mitte März 2010 von 62 auf 39 Prozent, das in die katholische Kirche von 56 auf 34. Bleibt ein “Papstbonus” von fünf Prozent. Das “Hosianna” und das “Kreuzige ihn!” liegen also nah beieinander. Aber warum sollte es einem “Stellvertreter Christi” anders ergehen als Jesus selbst? Nirgends in der Bibel ist den Aposteln Popularität verheißen worden. Im Gegenteil: Unverständnis, Schmähungen, Hass, Verfolgung. Eine entchristlichte Gesellschaft toleriert das Anderssein der Kirche nicht und will sie zur Anpassung zwingen. Dem “dominanten liberalen Fundamentalismus” (J. Isensee) sind Wahrheitsanspruch und strenge Moralvorschriften der Kirche ein Gräuel. Nicht umsonst entglitten alle TV-Debatten über den Missbrauchskandal zum Tribunal gegen die katholische Sexualmoral.