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> Freiheit und Verantwortung
Wider die Beliebigkeit
Wer die grenzenlose Freiheit fordert, untergräbt den Liberalismus. Wenn sich die eigene Freiheit an der des anderen reibt, müssen Grenzen gesetzt werden. Die liberale Gesellschaft lebt vom Verantwortungsethos.

Vor einer Woche habe ich mich in meiner Kolumne deutlich gegen ein Abdriften in eine „Verbotsgesellschaft“, gegen den schleichenden Gang in eine neue, europäische Prohibition ausgesprochen. Um allerdings nicht falsch verstanden zu werden, will ich heute einen Blick aufs andere Extrem werfen, nämlich die einseitige _“permissive society”_, in der dasselbe Motto wie im Swingerclub gilt: „Alles kann, nichts muss.“
„Alles kann, nichts muss“
Marion Gräfin Dönhoff, die große Publizistin der Nachkriegszeit, hatte sich schon 1992 mit dieser Gesellschaftsform auseinandergesetzt und festgestellt: „In der Tat führt eine permissive society, die keine Grenzen setzt und keine moralischen Schranken errichtet, letzten Endes zur Zerstörung von Freiheit und Liberalität.“ Diese Beobachtung ist richtig, weil das Fehlen von Schranken zur Beeinträchtigung der Freiheit einzelner durch diejenigen führt, die ohne Rücksicht auf die Befindlichkeiten anderer ihren eigenen (kurzfristigen) Nutzen optimieren. Jegliche Art des „Über-die-Stränge-Schlagens“, jegliche Form des Ausnutzens gegebener Freiheiten zulasten anderer wird dann wiederum gerne als Vorwand genutzt, Regeln in Gesetzesform zu gießen und mit Staatsgewalt durchzusetzen. Der Anfang der Verbotskultur ist daher oftmals die falsch verstandene Freiheit. Freiheit von gesetzlichen Regelungsmechanismen befreit niemanden davon, bei seinem Handeln auch das Wohlbefinden anderer, im gewissen Sinne sogar das Gemeinwohl, mit zu berücksichtigen. Diese Sichtweise ist in Zeiten überbordender Staatsstrukturen, in denen „Verantwortung“ für die eigene Lebensumwelt immer mehr delegiert wurde und bei einzelnen nur noch die Verantwortung für das eigene Lebensglück verblieben schien, immer stärker in Vergessenheit geraten. Gerade als Liberalem tut einem diese Erkenntnis weh, weil sie die Frage aufwirft, inwieweit eine liberale Gesellschaft wirklich in der Lage ist, ein nicht staatlich aufoktroyiertes, sondern aus der Mitte der Bürgerschaft gewachsenes Gemeinschaftsgefühl zu entwickeln.Freiheit braucht Verantwortung
Der Historiker Prof. Paul Nolte formulierte in der "4. Berliner Rede zur Freiheit":http://www.freiheit.org/files/62/nolte_berlinerrede_manuskript.pdf: „Niemand vermag für sich alleine frei zu sein.“ Diese Aussage sollte sich jeder, der die liberale Gesellschaft schützen, vielleicht sogar ausbauen will, zu Herzen nehmen. Sicherlich wäre es naiv zu glauben, dass den Menschen der ihnen eigene Egoismus abzuerziehen wäre, zumal ein gesunder Egoismus immer auch Triebkraft von Innovation und gesellschaftlicher Entwicklung war. Was allerdings möglich sein sollte, wäre ein weiteres, langfristigeres Verständnis von Egoismus zu etablieren. Denn wer die Freiheit kurzfristig nutzt, um sich auf Kosten anderer zu bereichern, wird langfristig feststellen müssen, dass ihm nicht nur diese, sondern noch viele weitere, lieb gewonnene Freiheiten abhanden gekommen sind. Freiheit kann nie alleine stehen, sie muss immer von ihrer Zwillingsschwester namens „Verantwortung“ begleitet werden, damit beide am Schluss für den Einzelnen, wie auch für die Gesellschaft, nicht verloren gehen. Dabei immer nur auf die anderen oder den Staat zu schauen, wird nicht reichen, wie es die oben schon zitierte Marion Gräfin Dönhoff auf den Punkt brachte: „Vieles hängt von uns, den Bürgern ab. Wir alle müssen uns ändern. Ein Wandel der Maßstäbe ist notwendig.“Kommentare (0)
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