Wir brauchen mehr ordoliberale Ideen
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Nicht Neid, materielle Sorgen und Fremden-Hass haben die Briten in den Brexit und die US-Amerikaner zu Trump getrieben. Es war eher eine Mischung aus Ohnmacht, Ärger und Verunsicherung, den Eliten in Washington und Brüssel ausgeliefert zu sein.

Wie konnte es zu Trump und Brexit kommen, obwohl doch die Meinungseliten nachdrücklich vor den Folgen gewarnt haben? Von den zwei wichtigsten Erklärungssträngen – dem ökonomischen und dem kulturellen – wäre vor allem der politischen Linken die ökonomische Erklärung lieber, da sie hier ihre bekannten Umverteilungsinstrumente ins Spiel bringen können. In Umfragen ist allerdings der kulturelle Erklärungsstrang bedeutender. Weder für Trump-Wähler noch für Brexiteers war die ökonomische Ungleichheit wahlentscheidend. In der Brexit-Kampagne wurde der Widerstandsgeist gegen eine als paternalistisch, regelbrechend und abgehoben dargestellte Brüsseler Elite geweckt. Der Hauptslogan der Brexiteers war "take back control", nicht "increase taxes and redistribution". Gegen welche Art von Elite sich die amerikanischen Wähler richteten, zeigt der Kandidat Trump. Er zählt zwar zur ökonomischen, nicht aber zur kulturellen Elite. Auch seine Wähler sind im Durchschnitt keineswegs so ökonomisch unterprivilegiert, wie oft behauptet wird. Die Politologen Inglehart und Norris haben sich die Motive von Trump-Anhängern und Brexiteers genauer angesehen. Sie erkennen einen kulturellen backlash und ein tiefes Misstrauen gegen das linksliberale Establishment. Sowohl in den USA als auch in Großbritannien gibt es eine verbreitete, große Sorge vor illegaler Migration, vor allem aus wenig entwickelten Ländern. Aus dieser Sorge lässt sich noch keine generelle Fremdenfeindlichkeit und erst recht keine rassistische Einstellung ablesen, wohl aber eine Skepsis an der von vielen Kommentatoren gepriesenen Multi-Kulti-Gesellschaft. Bei der nach diversen Gleichheitsidealen strebenden Meinungselite in Politik und Medien löst derartige Skepsis befremden aus. Denn die konkreten Probleme bei der praktischen Umsetzung der gut gemeinten Ideale dringen in die Elitenblasen kaum vor. Solche Blasen, in der sich jeder seine politische Meinung und moralische Erhabenheit bestätigen lässt, gab es freilich schon immer. Die heutige Blase der Meinungseliten ist aber nicht nur besonders groß, sondern auch besonders homogen. In der US-Hauptstadt Washington haben ganze 92,8 Prozent der Wähler Hilary Clinton gewählt. Unter US-Hauptstadtjournalisten sind die Präferenzen traditionell noch pro-demokratischer. Unter deutschen Meinungseliten ist die Parteienpräferenz zwar auch stark linkslastig, aber immerhin etwas gleichmäßiger verteilt. Für die Meinungspluralität bringt dies dennoch wenig, wenn sich alle im Bundestag vertretenen Parteien – mit einigen Abstrichen bei CSU und Linke – bei den entscheidenden europa-, gesellschafts-, migrations- und energiepolitischen Fragen weitgehend einig sind. Ein politisch korrekter Sprachcode erschwert es zusätzlich, die ohnehin ähnlichen Positionen zu unterscheiden. Es verwundert nicht, wenn in einer solchen Blase die Diskussionskultur leidet, der politische Wettstreit erlahmt und der Kontakt zur Außenwelt mehr und mehr abreißt. Die Kluft zwischen Journalisten und Lesern wächst genauso wie die zwischen Politikern und Wählern. Die resultierende Verdrossenheit beruht dann oft auf Gegenseitigkeit.