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> Film als Regierungspropaganda

Optische Täuschung

Ben Affleck rettet amerikanische Geiseln im Iran, Folter führte zu Bin Laden, und Hugh Grant bedroht die Queen. Die Oscarverleihung zeigt auch dieses Mal wieder: akkurat war gestern.

The European

2013 sind vier der zehn Oscar-Nominierten in der Kategorie „Bester Film“ sehr ausgeklügelte politische Filme: „Django Unchained“, „Argo“, „Zero Dark Thirty“ (ZDT) und „Lincoln“. Die Kritiker brüteten lange über jedem der Filme, um die wesentliche Bedeutung zu entwirren; vor allem bei „ZDT“: Rehabilitiert er George W. Bush? Unterstützt er Obama? Rechtfertigt er Folter? Meine Mama pflegte immer zu sagen: „Wenn man sich auf eine bestimme Art von Filmen einschießt, ist das politische Verständnis von Hollywood keinesfalls wie eine Pralinenschachtel: Man weiß immer, was man bekommt.“ Doch lassen wir kurz einmal die Oscars beiseite und widmen uns dem, was Hollywood 2012 hervorbrachte. Seit 1996 arbeitet die CIA aktiv mit Tom Cruise an den „Mission Impossible“-Filmen zusammen; ihr Einfluss ist auch im vierten Teil „Mission: Impossible – Phantom Protokoll“ deutlich zu spüren. „Skyfall“ ist der 23. Teil der 007-Reihe und die Respekt einflößenden Figuren von Judi Dench und Daniel Craig beruhigen uns – westliche Regierungen sind fleißig dabei, Unruhestifter zu bekämpfen. Die Neuverfilmung von „Red Dawn“, ursprünglich das Lieblingsprojekt von Alexander Haig, seines Zeichens Kriegstreiber in der Regierung Reagan und MGM-Vorstandsmitglied, zeigt uns die Invasion der USA durch – ähm – Nordkorea. In „Battleship“, großzügig von der Navy unterstützt, kämpfen Offiziere mit coolen künstlichen Gliedmaßen gegen Außerirdische. Kurz gesagt, ein Teil teurer Kinoproduktionen arbeitet mit der US-Regierung zusammen und produziert Geschichten, die aktiv die nationale Sicherheitspolitik unterstützen und die Gefahr durch Feinde von außen aufblähen. Dies geschieht zur Stärkung der Rekrutierung beim Militär und den Sicherheitsdiensten und der PR dieser. Ein Hauch von Hybris liegt dabei schon in der Luft.

Die Unentbehrlichen
Man sollte meinen, dass solche Filme nicht so viel politische Bedeutung haben wie die Oscar-Nominierten. Kann schon sein, aber betrachten Sie nur einmal die Besetzung eines solch „leichten“ Films wie „The Expendables II“ – Arnold Schwarzenegger (Kumpel von George W. Bush), Chuck Norris (Kumpel von Benjamin „Bibi“ Netanjahu) und Sly Stallone (die gesamten 1980er-Jahre lang der beste Kumpel der Zigarettenindustrie). Große Namen – wie albern sie auch sein mögen – sind maßgeblich, wenn es um die Förderung von gewichtigen Interessen geht. Nicht die „Expendables“ sind entbehrlich, sondern wir. „Atlas Shrugged: Part II“ feiert die ultra-kapitalistischen Ansichten Ayn Rands. Der erste Teil war ein Misserfolg – sowohl an der Kinokasse als auch bei den Kritikern. Die Fortsetzung – veröffentlicht kurz vor der letzten Präsidentschaftswahl – musste daher durch einen privaten Schuldenverkauf finanziert werden. Reiche Amerikaner ließen sich nicht lange bitten und steuerten 16 Millionen US-Dollar bei. Die Film-Reihe wird von Americans for Prosperity, einer der mächtigsten konservativen Organisationen in den USA, unterstützt. Zur BBC sagten sie: „Wir haben die Reihe unterstützt. Wir wollten, dass die Ideen nach außen getragen werden. Es gab Vorführungen im ganzen Land.“ Die „dem Kapitalismus innewohnende Moral“, welche die Reihe feiert, wird durch die negative Antwort auf folgende Frage zusammengefasst: „Sie kümmern sich wirklich nicht um Benachteiligte, oder?“ Doch wann gab es zuletzt einen bedeutenden Film, der kontrovers war, weil er etablierte Machtstrukturen angriff und diese nicht verteidigte? „Fair Game – Nichts ist gefährlicher als die Wahrheit“ oder „Green Zone“, beide aus dem Jahr 2010? Nun ja, sie hoben jene Dinge hervor, bei denen es inzwischen ohnehin einen Konsens gibt – dass die Bush-Regierung ihr eigenes Volk hintergangen und in Bezug auf die Massenvernichtungswaffen gelogen hat. Und so oder so kamen diese Botschaften sieben Jahre zu spät, um das Schicksal Bushs und das des Iraks noch zu verändern. Es gibt noch einige Abtrünnige, die gegen den Strom schwimmen: die Briten Chris Morris, Armando Iannucci oder „Sir“ Ken Loach etwa. Die Szene der politischen Dokumentationen ist auch noch ziemlich gesund, wie die Nominierung für „The Gatekeepers“ und „5 Broken Cameras“ (beschäftigt sich mit dem Nahostkonflikt) belegen.
Vortäuschung falscher Tatsachen
Kommen wir aber zu den Oscars zurück: Ja, „ZDT“ billigt Folter, macht das aber subtiler, als man das sonst aus Hollywood gewohnt ist („24“, „Unthinkable“, „Taken“). Ist das vielleicht effizienter, um diese Praxis zu legitimieren? Schwer zu sagen, ohne Zuschauerumfragen im großen Stil. Man kann aber festhalten, dass „ZDT“ die Auslieferung von Verdächtigen nicht sonderlich kritisiert und demonstrativ einschlägige Informationen, wie zum Beispiel, dass die CIA 92 Videoaufnahmen von Verhören mit hoher Wichtigkeit zerstört hat, ignoriert. „ZDT“ vermeidet strikt die Bevorzugung einer bestimmten Partei, sondern stimmt vielmehr jedem zu, der daran beteiligt war, den 11. September zu rächen. Auch ist „Argo“ weniger offensiv gegenüber den Iranern als seine rassistischen Vorgänger wie „Nicht ohne meine Tochter“ (1991). Trotzdem bleibt es ein Film, der einen offiziellen Feind zeigt, mit dem wir am Rande eines Krieges taumeln, und in dem die heldenhafte Rolle, die die Kanadier bei der Befreiung in Wirklichkeit spielten, zugunsten eines Lobs der CIA heruntergespielt wird. Wir wissen, dass die CIA, das Weiße Haus und das Verteidigungsministerium „ZDT“ in einem bislang noch nicht gesehenen Ausmaß unterstützt haben, was kurz für Furore sorgte. „Argo“ entstammt direkt der eigenen Mythologie der CIA, auch wenn ich noch auf die Antwort meiner Anfrage – einen Freedom of Information Request – warte, ob die CIA eine aktive Rolle in der tatsächlichen Entwicklung des Drehbuchs gespielt hat. Aus Erfahrung weiß ich, dass ich wohl recht lange auf recht wenig warten muss … Hollywood ist nicht dazu verpflichtet, uns in Politik oder Geschichte zu unterrichten. Das Politischste, was ich im Entertainment sehen möchte, ist, ehrlich gesagt, ein Hugh Grant aus Knete, der ein Buschmesser gegen Königin Victoria schwingt. So wie in „Die Piraten – Ein Haufen merkwürdiger Typen“, welcher dieses Jahr in der Kategorie „Bester Animationsfilm“ nominiert ist. Das Problem liegt darin, dass uns Hollywood konsequent falsch erzieht, oft unter der Begünstigung wichtiger Organisationen, die versuchen, ihre Machtposition auszubauen. Wenn es sein muss, unterhalten Sie sich selbst mit den Geschichten voller Wagemut, die bei den diesjährigen Oscars präsentiert werden. Aber denken Sie daran: So normal es auch erscheinen mag, die Befreiung der Geiseln in Teheran oder die Ermordung Osama bin Ladens zu feiern – in Wirklichkeit wurde es von Menschen verübt, die nur halb so gut aussehen. Hollywood erzählt nur; und zwar routinemäßig. _Übersetzung aus dem Englischen._
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