„Jüdisches Denken tut einer Gesellschaft immer gut, weil es Pluralismus fördert“
Mirna Funk ist nach Israel ausgewandert. Im Interview mit Julia Korbik spricht die deutsch-jüdische Schriftstellerin über den neuen, alten Antisemitismus in Europa und ihre Hoffnung auf einen Neuanfang in Israel.

*The European: Frau Funk, Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu fordert die europäischen Juden und Jüdinnen offen zur „Aliyah“ auf, zur Emigration nach Israel. Er sagt ihnen: „Der Staat Israel ist eure Heimat.“ Sie selber haben Deutschland vor ein paar Monaten verlassen. Weil Israel Ihre Heimat ist?* Funk: Israel ist für mich genauso Heimat wie Deutschland. Ich sehe mich als europäische Jüdin – und genau deshalb gibt es auch so eine Zerrissenheit zwischen der Heimat in Israel und der Heimat in Europa. Die Kombination aus Berlin und Tel Aviv, die bedeutet für mich Heimat. *The Europan: Warum sind Sie nach Israel ausgewandert?* Funk: Hier habe ich Familie und Freunde, hierher komme ich seit 24 Jahren. Die ersten Gedanken, auszuwandern, hatte ich 2007, habe mich dann aber dagegen entschieden. Letztes Jahr kam ich im Juli nach Israel – mitten während des Gaza-Kriegs. Und beschloss, zu bleiben. *The European: Angesichts der Umstände eine etwas seltsame Idee.* Funk: Absolut! Aber so war es. Das lag vor allem an den deutschen Reaktionen auf Israel während dieses Sommers. Besonders die Reaktionen in meinem Facebook-Feed. Da stand für mich fest, dass ich nicht mehr nach Deutschland zurückgehen kann. Auch, weil ich in Israel meinen jetzigen Verlobten kennengelernt habe. *The European: Sie sind jüdischer Abstammung. Was bedeutet das für Sie?* Funk: Für mich hat das Judentum schon immer die Bedeutung einer Schicksalsgemeinschaft gehabt: Es geht um eine gemeinsame Vergangenheit, um gemeinsame Erfahrungen und um eine sehr spezielle Sicht auf die Welt und die eigene Geschichte.