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> EU-Finanzministertreffen

Wirtschaftliches Wirgefühl

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Die Zusagen der EU-Finanzminister an Irland sind ein Signal zur richtigen Zeit. Europa muss nach der Krise zusammenrücken und eine gemeinsame Wirtschaftspolitik verfolgen. Nur so können wir nachhaltig wachsen und uns global behaupten.

The European

In Brüssel haben die Finanzminister der Europäischen Union gestern um Staatshilfen für Irland gerungen. Wenn das Land seine Kredite von inzwischen 730 Milliarden Euro nicht mehr abbezahlen kann und die Neuverschuldung – aktuell liegt sie bei etwa 32 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – nicht in den Griff bekommt, droht der Kollaps der europäischen Gemeinschaftswährung und der EU-Wirtschaftszone. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy sah die Union gar bereits in einer existenziellen Überlebenskrise. Doch Panikmache ist fehl am Platz, da hat Angela Merkel recht. Sie warb in Brüssel für eine stärkere Koordination europäischer Rettungsprogramme und vermied dabei jene Rompuy'sche Rhetorik, die letztendlich doch nur weitere Unsicherheit injiziert. Der europäische Rettungsfonds (Gesamtvolumen 750 Milliarden Euro) ist ein erster Schritt in diese Richtung. Solange die Gefahr besteht, dass die Krise eines einzelnen Mitgliedslandes die gesamte Region in einen ökonomischen Abwärtstaumel zieht, muss der Rest der Union in den sauren Apfel beißen. Die Investitionen werden sich langfristig auszahlen. Jedes zusätzliche Prozent Wirtschaftswachstum bedeutet mehr als 20 Milliarden Euro Mehrwert für das deutsche Bruttoinlandsprodukt. Nur durch neues Wachstum können wir die Krise hinter uns lassen.

Europa muss zusammenrücken
Trotzdem kann auch der Rettungsfonds nur ein erster Schritt sein. Finanzminister Schäuble fordert nicht zu Unrecht eine Beteiligung von Banken an künftigen Rettungspaketen. Mitgegangen, mitgehangen, lautet das Motto. Das Argument, dass dadurch die Risikozuschläge steigen und Kredite knapp werden, geht am Kern der Sache vorbei. Die EU muss zu einem Wirtschaftsraum werden, der auf realen Werten basiert. Wir dürfen nicht zulassen, dass sich durch Spekulation und Risikofehlkalkulation neue Blasen bilden. Die Bankenbeteiligung erreicht genau das: Im Zweifelsfall müssen Finanzinstitute den wirtschaftlichen Schaden ausbaden, den sie durch risikoreiche Kreditvergaben anrichten können. Viele kleine Finanzscharmützel sind besser als die Gefahr von Staatsbankrotten. Griechenland, Irland, Portugal – solche Spektakel dürfen sich nicht wiederholen. Das muss die zentrale Aufgabe der EU-Finanzminister sein. Letztendlich geht es bei den Debatten der Finanzminister um die Deutungshoheit über die Finanzkrise. Auf der Verliererseite stehen diejenigen, die durch kurzfristige Investitionen (am besten aus den Geldbörsen der anderen) eine schnelle Rückkehr in die Vorkrisennormalität erreichen wollen. Es ist nicht ausreichend, durch zusätzliche Stellschrauben den Wind aus den risikogeblähten Segeln zu nehmen. Die Krise bietet uns zwei Chancen: Europa muss zusammenrücken. Kein einzelner Staat ist in der Lage, die Last einer Banken- oder Staatsrettung allein zu schultern. Und kein Staat ist willens, für die verfehlte Politik der anderen zu bürgen. Es ist daher umso wichtiger, dass wir einen europäischen Wirtschaftsraum erschließen. Dabei geht es neben der Solidarität der Mitgliedsländer untereinander auch darum, unverantwortliche Wirtschaftspolitik einzelner Staaten zu verhindern. Durch den Euro sind wir zu eng miteinander vernetzt, um uns in Kleinkriegen über nationalstaatliche Sonderwege in der Wirtschafts- und Finanzpolitik zu verzetteln. Nur wenn Europa mit einer Stimme spricht, können wir uns im internationalen Spannungsfeld zwischen Dollar und Yuan als dritte Kraft behaupten und weiterhin Wachstums- und Investitionsregion bleiben.
Wirtschaft von und für den Menschen
Zum anderen geht es aber auch darum, die Wirtschaft wieder auf den Menschen zu zentrieren. Geld allein hat keinen Wert, es drückt eine Wertschätzung aus für die Arbeit und die Talente des Einzelnen. Die britischen Konservativen haben das erkannt: Nach Plänen von Premierminister Cameron sollen zukünftig auch Indikatoren wie Zufriedenheit und Lebensperspektiven in die Beurteilung der nationalen wirtschaftlichen Situation einbezogen werden. Die zweite wichtige Lehre aus der Krise ist demnach die Rückbesinnung auf unsere Essenz, unsere Werte. Werte transzendieren politische Ressorts, sie schaffen einen Rahmen für politischen Dialog und die Beurteilung von grundsätzlichen Fragen. Europa ist eine Wertegemeinschaft: Wir bejahen die Freiheit des Einzelnen, persönliche Verantwortung, die meritokratische Gesellschaft und den Glauben an Fortschritt. Das muss sich auch in der Wirtschaftsordnung ausdrücken.
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