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Politik > Erste Präsidentschaftsdebatte zwischen Trump und Biden

Trump versus Biden: Erste Bilanz einer schmutzigen Redeschlacht

Zur ersten Präsidentschaftdebatte trafen sich Donald Trump und Joe Biden in Cleveland. Nie zuvor gab es ein so undiszipliniertes und schmutziges Rededuell zwischen zwei Bewerbern fürs Weiße Haus. Eine erste Bilanz.

Erste Präsidentschaftsdebatte: Trump versus Biden, Foto: Picture Alliance
Erste Präsidentschaftsdebatte: Trump versus Biden, Foto: Picture Alliance

Die erste Präsidentschaftsdebatte zwischen Donald Trump und Joe Biden ist vorüber. Sie fand am Dienstagabend in Cleveland im Bundesstaat Ohio in der Clinic and Case Western Reserve UniversityDie erste Bilanz: Nie gab es eine so hitzige Debatte zwischen zwei Bewerbern mit einem so vergifteten Ton und derart vielen Attacken und Unterbrechungen – hauptsächlich natürlich seitens des Präsidenten, der sich sehr früh bei dem strengen Moderator Chris Wallace (Fox News) beschwerte, er müsse offenkundig auch gegen ihn, nicht nur gegen Biden argumentieren.

Andererseits war dieses Chaos eingepreist: Jeder kennt Trump inzwischen. Niemand hätte eine distinguierte Unterhaltung zweier Staatsmänner erwartet, die einander respektvoll begegnen. Darum ist das Jammern über die Aggressivität des Präsidenten verschwendete Zeit.

Trump war im Rahmen seines Debattenstils und im Rahmen der Ansprache seiner Zielgruppe konzentrierter und klarer, und zwar schon bei der ersten Frage von Moderator Wallace, ob es legitim sei, so kurz vor der Wahl Amy Coney Barrett als neue Supreme-Court-Richterin in Nachfolge der verstorbenen Ruth Bader Ginsburg installieren zu wollen. „Ja“, sagte Trump, „weil wir das Weiße Haus und die Mehrheit im Senat haben. Und Wahlen haben Konsequenzen.“ Er sei für vier Jahr gewählt worden, nicht für dreieinhalb. Das war Klartext ohne politisch-korrekte Poesie und dürfte bei Republikaner-Wählern angekommen sein.

Biden verlor einmal die Fassung, als er Trump anherrschte: "Shut up!" - was je nach Temperament mit "sei still" oder "halt die Schnauze" übersetzt werden darf. Der frühere Vizepräsident machte ebenfalls seine Punkte und kritisierte den Präsidenten wegen seiner Corona-Politik und seines öffentlichen Herunterspielens der Gefahren der Pandemie, die er bereits im Februar (gegenüber dem Journalisten Bob Woordward) klar beschrieben hatte. Trumps Konter: Hätten die Demokraten regiert, hätten sie die Grenzen nach China oder Europa offengelassen und es wären nicht 200.000, sondern Millionen Amerikaner gestorben.

Darauf Biden: Trump hat keinen Plan zum Umgang mit der Pandemie. Kontert Trump: Die Demokraten würden einen Lockdown über das ganze Land verhängen und die Wirtschaft ruinieren.

Bidens taktische Tricks: Er wandte sich oft direkt an die Zuschauer, etwa bei seinen Attacken auf Trumps Umgang mit Corona. Und als Trump ihn und seine Familie angriff, sagte Biden in die Kamera, es gehe nicht um seine Familie oder um Trumps Familie, sondern um die Familien im Lande.

Streitpunkt: Trump ließ erneut offen, ob er eine Wahlniederlage anerkennen würde. Er wiederholte seine Warnung, angesichts der vielen Briefwahl-Stimmen drohe ein großer Wahlbetrug. Biden hingegen machte klar, er werde jedes Ergebnis akzeptieren. Und er versicherte, wenn Trump weniger Stimmen bekomme als er, werde er sich nicht an der Macht halten können.

Trumps taktische Tricks: Er griff Bidens Wahlkampfversprechen, etwa zur Stimulierung der Wirtschaft, an mit der Frage, warum er das nicht getan habe in seiner Zeit als Vize-Präsident von Barack Obama. Tatsächlich aber lief der Arbeitsmarkt unter Obama bereits enorm an, auch wenn Trump den Aufschwung später durch seine Steuerkürzungen beschleunigte.

Und Trump zeichnete sich als energischen Macher, der „die größte Wirtschaft aller Zeiten“ aufgebaut habe und dies nach der Pandemie erneut hinbekommen werde, während Biden so etwas nicht könne: „Sie haben es nicht im Blut.“ Bidens schwacher Konter: „Doch, ich kann es, ich habe es im Blut.“

Trump griff Bidens Sohn Hunter an, der 3,5 Millionen Dollar „von Moskau“ für Management-Jobs ohne ausreichende Qualifikation bekommen habe. Das wies der Kandidat zurück. In der Tat erheben die Republikaner den Vorwurf seit langem, konnten aber nie beweisen, dass Hunter Biden gewissermaßen durch die Patronage des Vaters ans große Geld gekommen sei. Allerdings sah man schon in der Obama-Zeit die Gefahr, der Eindruck von Korruption könne entstehen.

Die Drogen-Probleme von Bidens Sohn

Die hässlichsten Momente: Biden wollte Trump wegen dessen angeblichen abfälligen Äußerungen über Soldaten als „Verlierer und Trottel“ angreifen und verwies auf seinen  (2015 an einem Gehirntumor verstorbenen) Sohn Beau, der im Irak-Krieg gekämpft habe und kein „loser“ gewesen sei. Trump konterte, Beau sei wegen Drogen-Missbrauchs unehrenhaft entlassen worden. Biden wies die Aussage über die unehrenhafte Entlassung von Beau zurück, schaute dann aber wieder in die Kamera und damit Wohnzimmer der Amerikaner: Sein Sohn habe Drogen-Probleme gehabt „wie viele in dem Land“, aber er habe sie überwunden (Beau Biden wurde später Generalstaatsanwalt).

Trumps Verdrehungen: Er unterstellte Biden, er wolle private Krankenversicherungen zerstören zugunsten einer staatlichen Krankenversicherung. Doch das war im Vorwahlkampf die Forderung des „demokratischen Sozialisten“ Bernie Sanders, von denen sich Biden schon damals distanziert hatte. Trump versprach (wie seit dreieinhalb Jahren), er werde eine bessere Gesundheitsreform vorlegen als es Vorgänger Barack Obama mit dem Affordable Care Act getan habe. "Obamacare" wurde von der Trump-Administration nicht abgeschafft, aber entkernt, etwa hinsichtlich der Versichungspflicht. Das Thema wird bei den Wahlentscheidungen eine wichtige Rolle spielen.

Pro und Contra Briefwahl: Die Behauptung des Präsidenten, Briefwahlen seien leicht zu manipulieren, immer wieder habe man ganze Stapel mit Briefwahlstimmen in Papierkörben oder Flüssen gefunden, die für ihn gestimmt hätten, ist nicht zu belegen. Auch das FBI hat erklärt, nichts weise darauf hin, dass es bei Briefwahlen zu nennenswerten Fälschungen komme.

Bidens Treffer: An dieser Stelle der Debatte warf er ein, Militärangehörige würden „im Grunde seit dem Bürgerkrieg“ von der Briefwahl Gebrauch machen und das sei nie kritisiert worden. Da schwieg der Präsident.

Am Ende wirkte Biden unkonzentriert

Law and Order: Trump versuchte Biden zu provozieren, dass er sich im Zusammenhang mit den zum Teil sehr gewaltsamen Protesten am Rande von Black-Lives-Matter-Demonstrationen nie zu „Law and Order“ bekannt habe, wohl aus Angst, radikale Wähler zu verlieren. Das solle er doch jetzt tun. Biden sagte schließlich, er sei für „Law and Order and Justice“, also Recht und Ordnung und Gerechtigkeit. Trump hingegen ließ sich nicht zu einer klaren Distanzierung von Rechtsextremisten und weißen Supremacisten bewegen.

Aber am Ende wirkte Biden vorübergehend unkonzentriert. Er distanzierte sich zuerst vom radikalen und Billionen-Dollar-teuren Plan eines Green New Deal, wie er vom Linksaußen-Flügel der Demokraten um die Abgeordnete Alexandria Octasio-Cortez beworben wird. Dann lobte er, der Green New Deal werde Arbeitsplätze schaffen – und als Wallace nachhakte, ob er den Plan also doch unterstützte, korrigierte er sich, nein, nein, er habe seien eigenen Plan.

Fazit: Nach einer ersten nicht-repräsentativen CNN-Blitzumfrage gewann Biden die Debatte mit 60 zu 28 Prozent. Das sollte man aber nicht zu ernst nehmen. Gemessen an den Maßstäben, die sie in der Vergangenheit für sich selbst gesetzt haben, ist keiner der beiden Diskutanten eingebrochen. Keiner hat aber auch positiv überrascht. Biden dürfte seinen Umfragevorsprung durch dieses Duell nicht verloren haben. Entscheidend wird auf dem weiteren Weg zur Wahl am 3. November sein, ob genügend Wähler Biden und den Demokraten zutrauen, die Amerikaner auf dem schwierigen Weg einer ökonomischen Konsolidierung nach der Pandemie anzuführen – oder ob man diese Fähigkeit weiter dem rücksichtsloser, aber auch zupackender wirkenden Trump zutraut.

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