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> Einwanderung und Sozialstaat schließen sich aus

Alle Flüchtlinge nach Europa holen kann nicht die Lösung sein

In der Debatte um die Seenotretter auf dem Mittelmeer zeigt sich: Das Gegenteil von 'Gut' ist häufig 'Gut gemeint'. Die Rettungsaktionen bewegen sich am Rand der Legalität und verschärfen - unabsichtlich - das Problem von Migration und Schlepperwesen eher noch.

The European

Italien hat den privaten Seenotrettern im Mittelmeer einen Verhaltenskodex vorgelegt, den sie unterzeichnen müssen, wenn sie weiterhin italienische Häfen anlaufen wollen. Zudem hat Italien libysche Küstenwachen ausgebildet und ausgestattet mit dem Ziel, dass diese Schlauchboote mit Migranten in den Hoheitsgewässern Libyens abfangen und zurück an Land bringen. Der französische Präsident hat Verhandlungen über Hotspots in Libyen begonnen, an denen Anträge auf Anerkennung als Flüchtling oder für eine Arbeitserlaubnis in Europa gestellt werden können, die bei Genehmigung eine sichere Überfahrt nach Europa ermöglichen sollen. Dies alles ist nun in einigen Kommentaren auf härteste moralische Kritik gestoßen. Die Seenothelfer werden kriminalisiert, heißt es. Sie sollen vertrieben werden. Menschen, die vor Krieg, Hunger und Armut fliehen, sollen ins Elend zurückgestoßen werden. Und das alles nur wegen anstehender Wahlkämpfe in Europa. Das letzte Argument hat ein Geschmäckle. Bei Wahlkämpfen sind alle Parteien bemüht, den Wählern Angebote zu machen, die sie begrüßen. Wenn dabei Geld verschwendet wird, ist das zu kritisieren. Ansonsten aber ist es ja wohl der Sinn der Demokratie, dass die Parteien angemessen und vernünftig berücksichtigen, was sehr viele Wähler wünschen.

Unbegrenzte Einwanderung und Sozialstaat schließen einander aus
Unstrittig ist in Europa weithin, dass persönlich Verfolgte und Kriegsflüchtlinge für die Dauer der Gefahr in Europa Schutz finden sollen. Daran sollen auch die geplanten Maßnahmen nichts ändern. Um Flüchtlinge im eigentlichen Sinn des Wortes gibt es keine nennenswerten Auseinandersetzungen. Streit gibt es um die sog. Wirtschaftsflüchtlinge, die nicht vor einer Gefahr in ihrer Heimat fliehen, sondern von den Chancen Europas angezogen werden. Sie wollen ihre Lebenschancen verbessern, vielleicht auch ihre Familie daheim unterstützen, was alles nicht verwerflich ist. Aber Europa möchte entscheiden, wer mit dieser Absicht einreisen und bleiben darf, denn er muss ja auch einen Arbeitsplatz finden, sonst bezahlen wir dauerhaft zusätzliche Arbeitslose. Unbegrenzte Einwanderung und Sozialstaat schließen einander aus, weil das unbegrenzte Ausgaben bei begrenzten Einnahmen bedeuten würde und daran geht jedes Unternehmen bankrott.
Wirtschaftsflüchtlinge sind der Grund, dass die, die wirklich Hilfe brauchen, übersehen werden
Dieser Beschreibung wird widersprochen mit dem Argument: Wirtschaftsflüchtlinge fliehen sehr wohl aus ihrer Heimat, nämlich vor Hunger und Armut. Das aber ist nachweislich falsch. Wer zwei- bis achttausend Euro für die Schlepper durch die Sahara und übers Mittelmeer aufbringen kann, gehört zuhause nicht zu den Ärmsten der Armen, sondern zur Mittelschicht, auch dann, wenn die Großfamilie zusammenlegt. Denn es handelt sich bei den genannten Summen um vier bis sechzehn dortige durchschnittliche Jahresgehälter. Indem wir jenen Migranten, die tausende Euro auftreiben können, ihrer Not wegen unser Herz öffnen und einen moralischen Imperativ darin sehen, sie jedenfalls zu uns zu holen, betrügen wir uns selbst, weil wir ihretwegen die wirklich Ärmsten und Elendsten Afrikas übersehen, denen nur vor Ort geholfen werden kann, weil sie kein Geld für Reisen haben. Im Übrigen wird die wirtschaftliche Not Afrikas durch Auswanderung junger kräftiger Männer nicht behoben. Migration ist sehr begrenzt nur Wirtschaftshilfe. Nur diejenigen, die in Europa passabel verdienen, überweisen Geld nach Hause. Dazu müssen sie integriert sein. Wenn Integration gelingen soll, muss der Zuzug gesteuert werden, weil die zur Integration erforderlichen (Lehr-)Kräfte begrenzt sind. Die Aktivitäten der privaten Seenotretter sind zwar aus Mitleid und Menschenliebe geboren, aber dennoch nicht unproblematisch. Die gute Absicht allein genügt manchmal nicht, um wirklich Gutes zu tun. Oder: das Gegenteil von gut ist oft gut gemeint. Wir sollten den Verdacht, dass es Kooperationen zwischen Schleppern und privaten Helfern gegeben habe, hier ungeklärt auf sich beruhen lassen. Dass Helfer gar Gewinn aus solcher Kooperation ziehen, kann ich mir nicht vorstellen.
Migranten nach Italien zu bringen, die nicht in Seenot sind, ist strafbar
Aber es gibt offenkundig Interessenkonvergenzen zwischen Helfern und Schleppern. Je mehr Personen die Helfer retten, umso mehr Spenden können sie einwerben. Sie stehen deshalb in der Gefahr, auch Bootsflüchtlinge aufzunehmen, die sich nicht in Seenot befinden, aber in Seenot geraten könnten. Die Rechtslage ist nun eindeutig: Wenn sie Migranten aus Schiffen bergen, die nicht in Seenot sind, und diese nach Italien bringen, ist das Beihilfe zur illegalen Einwanderung und strafbar. Aber sie wollten sie doch nur vor einer möglichen zukünftigen Lebensgefahr retten! Dazu sind sie aber durch die Pflicht zur Rettung Schiffbrüchiger nicht legitimiert. Sie überschreiten ihre Zuständigkeit und bürden ungefragt die Folgekosten dem italienischen Staat auf und das ist strafbar. An den diesbezüglichen Bestimmungen des internationalen Seerechts wird sich auch nichts ändern, da bin ich mir sicher. Denn kein Staat hat Interesse an diesbezüglichen Änderungen. Wenn an den Grenzen der libyschen Hoheitsgewässer die Schiffe von Hilfsorganisationen geradezu auf Migrantenboote in Seenot warten, können die Helfer nichts dagegen tun, dass die Schlepper diese ihre Hilfsbereitschaft in ihr Kalkül einbauen - ohne sie zu fragen.
Migranten bringen sich absichtlich selbst in Seenot um gerettet zu werden
Sie geben also den Migranten ein Satellitentelefon mit, in dem schon die Nummer der italienischen Seenotrettung eingegeben ist und wenn sie die Hoheitsgewässer verlassen haben, drücken sie auf den Knopf und die Helfer kommen. Sich auf einem Schlauchboot selbst in Seenot zu bringen, ist kinderleicht. Sind die Helfer nahe genug, wird eine der Luftkammern angestochen. Das Boot geht dann nicht unter, aber hängt an einer Seite im Wasser. Massenhaft haben wir alle schon die Bilder angestochener Schlauchboote in den Medien gesehen. Und wie man liest, sind dann oft ganz schnell flotte Boote zur Stelle, die den Motor des lädierten Bootes zur Wiederverwendung mitnehmen und sich Richtung Küste davonmachen. Tatsächlich müssen auch Menschen gerettet werden, die sich selbst absichtsvoll in Seenot gebracht haben. Das stimmt. Aber es wäre zu begrüßen, wenn diese Pseudoseenottrickserei aufhören würde.
Seenotretter befördern den Verkehr über das Mittelmeer zusätzlich
Die Pflicht und das Recht der Seenotretter bestehen darin, die Geretteten auf festes Land zu bringen. Sie sind nicht berechtigt, die Geretteten in das Land ihrer Wünsche zu bringen. Sie könnten sie auch nach Afrika bringen. Dann würde das Interesse der Schlepper an den Seenotrettern ganz schnell vollkommen erlöschen. So aber bieten die Seenotretter den Geretteten die Leistung, für die sie die Schlepper bezahlt haben, und zwar nun risikofrei. Insofern ist es sehr wahrscheinlich, dass die Seenotretter den Schlauchbootverkehr übers Mittelmeer tatsächlich - nicht absichtlich - befördern. Dass durch ihre Aktivitäten die Zahl der Ertrunkenen gesunken sei, bestreiten manche. Belastbare Zahlenangaben auf diesem Felde habe ich aber noch nicht gesehen. Wenn weniger Menschen bei der Überfahrt ertrinken, ist das natürlich nur zu begrüßen. Die Todesrate wird auf zwei Prozent geschätzt, das ist im Vergleich mit Verkehrstoten unerträglich und unvorstellbar hoch. Wenn sich aber wegen des geminderten Risikos immer mehr Menschen in Schlauchboote begeben und dann die Zahl der Ertrunkenen zwar prozentual, aber nicht absolut zurückgeht, ist das nicht zu begrüßen.
Italienische Polizisten an Board sollen entscheiden, wer einreisen darf
In der Selbstverpflichtung, die italienische Behörden von den Hilfsorganisationen verlangen, die weiterhin aus dem Mittelmeer geborgene Migranten in italienischen Häfen absetzen wollen, gehört auch die Forderung, sie müssten einen italienischen Polizisten an Bord nehmen, der natürlich, wie bei Polizisten überall üblich, eine Pistole trägt. Das hat helle Empörung ausgelöst. Eine Waffe an Bord unserer friedlichen Aktion? Kommt überhaupt nicht in Frage. Wer aus Afrika nach Italien einreisen darf, entscheidet Italien, nach geltendem nationalem, europäischem und internationalem Recht. Es kann nicht sein, dass diese italienische Entscheidungsbefugnis so einfach und folgenlos an eine Schiffsbesatzung übergeht, nur weil sie Migranten aus dem Mittelmeer birgt. Solange sie beansprucht, diese Migranten in italienischen Häfen anlanden zu lassen und das nicht einmal, sondern regelmäßig, da sie sich zu keinem anderen Zweck im Mittelmeer aufhält (was, soweit ich sehe, im internationalen Seerecht nicht berücksichtigt ist, weil es selten oder nie vorkam), nimmt sie ein italienisches Hoheitsrecht wahr. Es ist nicht unbillig, wenn der italienische Staat daraufhin verlangt, einen Vertreter der italienischen Exekutive an Bord zu nehmen. Da die Seenotretter beteuern, nichts Illegales zu tun, kann sie die Anwesenheit eines italienischen „Gesetzeshüters" doch gar nicht stören. Bestimmt ist Italien bereit, für Kost und Logis auf Schiff aufzukommen.
Alle Flüchtlinge nach Europa holen kann nicht die Lösung sein
Es gibt ein und nur ein Mittel, den Schleppern schnell und vollständig das Handwerk zu legen. Wenn systematisch alle Schiffe mit Migranten innerhalb der afrikanischen Hoheitsgebiete zurück ans Ufer geschleppt werden, wird niemand mehr Schlepper bezahlen, da die Überfahrt nach Europa offensichtlich nicht mehr möglich ist. Es würde dann auch kein einziger Migrant mehr im Mittelmeer ertrinken. Das wäre ja wohl ein bedeutender Etappensieg! Das Rezept hat schon einmal gewirkt, als massenhaft Migrantenboote zu den Kanaren aufbrachen. Die prompte Rückführung aller Migranten in ihre Heimatländer hat die Bootsfahrten ebenso prompt beendet. Aber die Migranten aus Schwarzafrika werden in Libyen gegen alle Menschenrechtsstandards behandelt, genauer: oft misshandelt. Die Lösung kann doch aber nicht sein, dass sie deshalb alle nach Europa geholt werden. Schließlich sind sie ja freiwillig aus ihren Heimatländern durch die Sahara nach Libyen gekommen. Es kann doch nicht sein, dass man durch eine freiwillige Fahrt nach Libyen einen Anspruch auf Asyl in Europa erwirbt.
Aus Migranten auf eigene Faust sollten Antragsteller werden
Aber es ist richtig: mit der Rückschleppaktion ist es nicht getan. Es sollte für die Migranten Lager geben, die nach den Standards der UN-Flüchtlingshilfe verwaltet werden und von denen aus die Migranten in ihre Heimatländer zurückgeführt werden, sofern sie keinen Aufenthaltstitel für Europa erlangt haben. Dafür allerdings sind die Hotspots nötig, die der französische Präsident befördern möchte. Dann würde auch die Zahl der Abschiebungen sinken, die nicht nur unangenehm und teuer, sondern auch immer umstritten sind. Die Absurdität, dass massenhaft Schwarzafrikaner über das Mittelmeer zu uns kommen, dabei ihr Leben riskieren und einige auch ihr Leben verlieren, dann in Europa Asyl beantragen, nach mancher Trickserei und versteckten Papieren abgelehnt und abgeschoben werden - die meisten von ihnen erlangen nämlich keinen Flüchtlingsstatus, weil sie weder unter Verfolgung noch unter Krieg leiden - könnte dann endlich beendet werden. Aus Migranten auf eigene Faust sollten Antragsteller werden - von denen allerdings die meisten mit ablehnendem Bescheid rechnen müssen, wie das auch heute der Fall ist. Immerhin sparen sie sich dann eine lebensgefährliche Odyssee und verlorene Jahre. Quelle: "Huffpost":http://www.huffingtonpost.de/richard-schroeder/seenotrettung-migranten-mittelmeer_b_17796596.html
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