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> Diskussionskultur in Wirtschaft und Politik

Sachlich bleiben

Bei politischen Diskussionen erhitzen sich schnell die Gemüter. Das ist Gift für die Start-up-Branche: Sie ist zu wichtig, um nicht mit kühlem Kopf gefördert zu werden.

The European

Zwei politische Entwicklungen der vergangenen Wochen sind interessant und wichtig für die Start-up-Industrie in Deutschland. Eine ist gut, die andere schlecht. Fangen wir mit der guten an: Die Bundesregierung schließt sich dem Vorhaben des Bundesrats, Steuerbegünstigungen für Veräußerungsgewinne aus Start-up-Exits abzuschaffen, nicht an. Das ist zumindest Wortmeldungen der Bundeskanzlerin und des Wirtschaftsministers zu entnehmen. Das ist ein wichtiges Signal in die Branche gewesen und ein Zeichen dafür, dass die Politik die Wichtigkeit dieses neuen, wachsenden Ökosystems erkannt hat. Das ist ein Punktsieg und zeigt, dass es sich lohnt, wenn sich diese Industrie an den Mechanismen der politischen Meinungsbildung orientiert, Verbände gründet und den Kontakt zu den politischen Akteuren sucht. Es ist und bleibt wichtig, zu erklären, was diese Industrie tut, wie sie es tut und wie Mechanismen funktionieren, die man mit dem bloßen Auge nicht erkennen kann. Es ist noch nichts entschieden, am 12. Dezember trifft sich der Vermittlungsausschuss, um weiter über das Thema zu diskutieren. Deswegen ist es ja auch erst „nur“ ein Punktsieg. Aber im Miteinander der Akteure haben sich auch andere, die nicht der Start-up-Industrie angehören, der BDI zum Beispiel, geäußert und vor den negativen Auswirkungen auf die Branche gewarnt. Nun ist es wichtig, bis zum Schluss durchzuhalten und weiter das Gespräch mit den politischen Akteuren zu suchen. Wie wichtig es ist, dafür zu kämpfen, dass Investoren möglichst viel ihrer durch Verkauf erzielten Gewinne wieder in die Industrie zurückinvestieren, "habe ich in der vergangenen Woche beschrieben":http://theeuropean.de/alexander-goerlach/5559-investieren-in-die-start-up-szene: Es ist insgesamt zu wenig Kapital vorhanden. Das ist ein Umstand, der sich in mehreren Gesprächen seit der Veröffentlichung meiner Newconomy-Kolumne in der vergangenen Woche noch einmal mehr bestätigt hat.

Leistungsschutzrecht-Debatte: Unterirdisches Niveau
Die schlechte Nachricht bezieht sich auf die neueste Eskalationsstufe im Streit um das Leistungsschutzrecht. Das Niveau ist zwischenzeitlich auf „unterirdisch“ gesunken. Springer-Vorstand Mathias Döpfner beschimpft Google als „Hehlerbande“. Zwischenzeitlich gab es einen Taliban-Vergleich von Lobby-Mann Christoph Keese, der sich aber tags darauf für seine Äußerung entschuldigt hat. Gut, die Gemüter erhitzen sich schon einmal. Aber der diesen Wortgefechten zugrunde liegende, mittlerweile vom Gegenstand weggejazzte Konflikt wird dadurch nicht behoben. Es scheint gar nicht mehr um Fragen von geistigem Eigentum zu gehen, sondern darum, wie die Verlage in Deutschland Kohle von neuen technologischen Anbietern abziehen können, die in Suchmaschinen Verlagsergebnisse anzeigen. Das klingt nach jenen „erzkapitalistischen Interessen“, die Springer-Chef Mathias Döpfner Google unterstellt. Die großen philanthropischen Organisationen in Deutschland sind die Caritas und die Diakonie. Der Name des Springer-Verlags ist in diesem Kontext noch nie gefallen. Muss ja auch nicht. Es ist ok, wenn man als Unternehmen kapitalistische Interessen hat. Die haben Google und Springer. Die Verlagsindustrie ist auch nur ein Beispiel für eine Industrie, die sich noch nicht recht auf die Neuerungen des digitalen Wandels einzustellen bereit war. Klar ist, dass es mir als Verleger auch nicht darum gehen kann, Urheberrechte nicht zu schützen. Auch wir würden juristisch dagegen vorgehen, wenn jemand unsere Inhalte klaut – und zwar vollkommen zu Recht. Im vorliegenden Fall geht es aber um den Display von Informationen im Web. Sozusagen die „Gelben Seiten“ für alles, was es im Internet gibt. Klar verdient Google daran, Verlage, ob große oder kleine, verdienen aber auch daran, dass Traffic über Google auf ihre Seiten schwappt. Die Diskussion sollte sich, es bleibt allen beteiligten Akteuren zu wünschen, entspannen, zumal wir auf das Fest der Liebe zusteuern und die Engel vom Frieden auf Erden singen werden, sowohl unter dem Weihnachtsbaum von Mathias Döpfner als auch von Google-Vertretern.
Deutschland tut sich mit der Zukunft schwer
Für den Wirtschaftsstandort Deutschland sind beide Diskussionen, Steuervorteile und Leistungsschutzrecht, kein Ruhmesblatt. Zeigen sie doch, dass sich der Industriegigant der Vergangenheit, die Bundesrepublik, mit der Zukunft schwer tut. In Fall eins ist es zu einem guten Austausch der Akteure gekommen, ohne dass die Fetzen in einem Maße geflogen wären, dass man riskiert, sich hinterher auf Jahre nicht mehr in die Augen schauen zu können. Fall zwei zeigt keine gute Diskussionskultur und schadet der Entwicklung, sowohl des Verlagswesens als auch der Internet-Industrie. Hier kann man nur an alle beteiligten Akteure appellieren, das in dieser Woche Gesagte zurückzunehmen und zu verzeihen und dann noch mal, pünktlich zum neuen Jahr, alles auf null zu stellen und den Dialog noch mal von vorne aufzunehmen. _Newconomy ist die neue Kolumne der Berliner Start-up-Industrie. Sie beschreibt Szenen auf der Schnittstelle zwischen neuer und klassischer Ökonomie, zwischen Politik und Unternehmertum. Newconomy ist gesponsert durch die Factory, "der neue Start-up-Standort in Berlins Mitte":http://blog.theeuropean.de/2012/06/kooperation-mit-the-factory/ "https://www.facebook.com/FactoryBrln":https://www.facebook.com/FactoryBrln "www.factoryberlin.com":http://www.factoryberlin.com twitter: "@factoryberlin":https://twitter.com/factoryberlin._
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