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> Die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Fernsehens

Was nun, ZDF?

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Eklat, Protest, Entrüstung und Blockade beim ZDF – und jetzt? Fünf Varianten, wie es bei der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt und dem Tumult um Chefredakteur Nikolaus Brender nun weitergehen könnte, darunter eine realistische.

The European

*Die unwahrscheinlichste Variante* Intendant Schächter hält an seinem Kandidaten Brender fest. Der ZDF-Verwaltungsrat tritt rasch zusammen und einigt sich mangels Alternativen und unter öffentlichem Druck auf die Verlängerung von Brenders Vertrag. Die Unionsmehrheit ändert also ihre Meinung, inklusive der Ego-Alpha-Chefs Stoiber, Koch, Müller und, in der Rolle des langen Arms der Kanzlerin, Verwaltungsrat Willi Hausmann. Wie der Titel schon sagt: unwahrscheinlich. *Die Eklat-Variante* Schächter schickt Brender ins Rennen, der fällt durch. Daraufhin tritt der Intendant zurück. Die Ehre des ZDF wäre gerettet, der Sender aber über Monate oder Jahre gelähmt, die Politik düpiert. Der Eklat wäre der Beginn eines kalten Gremien-Krieges, wie er den Fernsehrat zuletzt bei Schächters Intendantenwahl 2002 blockiert hat. Daran hat niemand ein Interesse. *Die heroische Variante* Dieses Szenario hat Hartmann von der Tann in der FAZ ins Spiel gebracht, der ehemalige Chefredakteur der ARD. Intendant Schächter schlägt dem Verwaltungsrat demnach schnell Brender vor – wissend, dass dieser durchfällt. Statt zurückzutreten, erhebt Schächter daraufhin Organklage beim Bundesverfassungsgericht, um prüfen zu lassen, ob der Verwaltungsrat seine Kompetenzen überschreitet. Verfassungsrechtler halten die durch und durch politisierten Verfahren beim ZDF und seine parteipolitisch verseuchten Kungel-Gremien ohnehin für nicht vereinbar mit der Forderung nach Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die Richter hätten die Möglichkeit, den Stall auszumisten und so allen gebührenfinanzierten Sendern zu mehr Unabhängigkeit zu verhelfen. Einen Haken hat diese Lösung: Intendant Schächter müsste für solch eine Errungenschaft wohl seine Karriere opfern. *Die CDU-Variante* Der unionsdominierte Verwaltungsrat verlängert Nikolaus Brenders Vertrag nicht. Intendant Markus Schächter tritt trotzdem nicht zurück, obwohl seine Glaubwürdigkeit beschädigt ist. Ein SPD-naher Kandidat rückt der Proporz-Tradition gemäß auf: Peter Frey, der Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios, der dann mit dem Stigma leben müsste, von Unions Gnade zu sein. Das macht den Weg frei für dessen erzkonservativen Vize Peter Hahne. Dessen Vize könnte dann zum Beispiel die unter links gebuchte Bettina Schausten werden. Damit hätte die Kanzlerin das ihr von Kurt Beck unterstellte Ziel erreicht: ein rechter ZDF-Chef für Berlin. *Die wahrscheinlichste Variante* Kurz nach der Bundestagswahl lässt Schächter seinen Kandidaten Brender fallen. Es folgen einige Wochen Schamfrist, um die Glaubwürdigkeit eines Nachfolgers zu schonen. Das Zugeständnis der Union besteht nun darin, statt Frey einen anderen "roten" Kandidaten zu berufen und so die Hauptstadtposten unangetastet zu lassen. Dieser Kandidat könnte Jörg Schönenborn sein, der Chefredakteur des WDR. Sein Name wird inzwischen hinter auffällig vielen vorgehaltenen Händen genannt. Der Umfragen-Guru der ARD wäre ein Kandidat, der seine Kompetenz auf dem Bildschirm und hinter dem Schreibtisch ausreichend bewiesen hat. Es bleiben weitere Möglichkeiten: Zum Beispiel könnte Brenders Vertrag zwei oder drei Jahre verlängert werden. Auch andere Kandidaten als Schönenborn sind natürlich denkbar und vielleicht notwendig, falls dieser ablehnt. Sicher ist: Die Zeit ist gekommen für einen klassischen ZDF-Kompromiss; die Kungeleien im Schatten blieben der breiten Öffentlichkeit verborgen, wie es war und wie es nach Meinung der beteiligten Strippenzieher aus der Politik sein sollte. Zurück bleiben ein in seiner Glaubwürdigkeit beschädigter Sender und viele neue Argumente gegen das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem. Dem ZDF geht es nicht gut.

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