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> Die Zeit ist reif für den EU-Beitritt der Türkei

Es soll zusammenwachsen, was zusammengehört!

Die Proteste in der Türkei öffnen der EU den Weg aus der Identitätskrise. Dafür muss sie zum kraftvollsten Symbol überhaupt greifen.

The European

Gas und Knüppel gegen alles, was sich regt. Feuer, Wasser, Barrikaden. Alte Frauen schleudern Steine, Kinder tragen Guy-Fawkes-Masken; Studenten campieren, Anwälte liegen in Handschellen. "Die Bilder aus türkischen Städten":http://flxdax.wordpress.com/2013/06/12/die-bessere-turkei/ erschüttern und fesseln den alten Kontinent. Zu Recht, denn Europas Sache wird in der Türkei verhandelt. Mitten in der Krise zeigen die – vom Kerneuropa so oft geschmähten – Türken, warum es sich lohnt, um Europa zu kämpfen: Demokratie besteht nicht nur aus Mechanismen. Es geht nicht darum, Wahlen zu gewinnen und dann walten und schalten zu können, wie man will. Demokratie achtet Minderheiten und schützt sie. "Demokratie schränkt die Presse nicht ein.":http://www.sueddeutsche.de/politik/anti-erdogan-proteste-in-istanbul-tuerkische-rundfunkbehoerde-geht-gegen-kritische-tv-sender-vor-1.1694499 Demokratie braucht Freiheit – wer wann wen küsst, hat den Staat ebenso wenig zu interessieren wie der Gott, an den seine Bürger glauben. Demokratie akzeptiert Protest, kriminalisiert und verhöhnt ihn nicht. Demokratie fußt nicht auf der Herrschaft der Knüppel.

Von Istanbul geht eine europäische Botschaft aus
Für Europa ist es deshalb genau jetzt an der Zeit, Zeichen zu setzen. Die europäische Politik muss sich klar positionieren – aller notwendigen Diplomatie zum Trotz. Nur ein Ende der Toleranz ist möglich: das gegenüber Erdogan. Und dafür gibt es eine große, wenn nicht die größtmögliche Geste: die Forderung des sofortigen EU-Beitritts der Türkei. Deutschland ist dabei ein großer Stolperstein. Kaum ein Land ist längst schon enger mit der Türkei verwoben und doch beharrt die deutsche Politik auf der privilegierten Partnerschaft, als sei das Abendland bedroht. Dabei kehrt sich das Verhältnis gerade um. Alexander Wallasch hat es kürzlich "so formuliert":http://www.theeuropean.de/alexander-wallasch/7019-die-rolle-von-deutschtuerken-bei-den-protesten: In der Türkei wird auch die westliche Sache verhandelt. Und hat damit recht. Nur ist diese Sache längst keine westliche mehr, war sie im Grunde nie, denn genauso, wie westliche Staaten oft genug Aufklärung, Menschenrechten und Freiheit im Wege standen und stehen, ist das keine Idee, die sich an geografische Grenzen hält. Wie viel Europa in der Türkei verhandelt wird, zeigt beispielhaft ein Video, "das Erasmus-Studenten in Istanbul aufgenommen haben":http://www.youtube.com/watch?v=m0YcEUHxTuY&sns=tw. Europas jugendliche Zukunft solidarisiert sich darin mit dem Protest: „Wir werden eure Botschaft in unsere Länder tragen.“ Noch mal: Diese Botschaft, diese zutiefst europäische Botschaft, kommt gerade nicht aus Europa, sondern der Türkei. Von dort aus wird sie herübergetragen. Denn die EU leidet in der Krise nicht nur an wirtschaftlichem Muskelschwund, sie verliert zusätzlich ihre Faszination. Der alten Erzählung von Krieg und Frieden schwindet die Kraft. Kann es in einer solchen historischen Phase ein größeres Geschenk geben als den türkischen Aufstand?
Knüppel gegen die „bessere Türkei“
Als Deutschland sein Sommermärchen feierte und schwarz-rot-goldene Fahnen von türkischen Trikotträgern geschwenkt wurden, blitzte hierzulande erstmals die große Gemeinsamkeit auf. Zusammen statt für sich. Die Integration der Millionen, die aus dem Osten kamen, hat das nicht auf einen Schlag bewirkt – wie auch? Oft genug leben Deutsche, Deutschtürken und Türken in diesem Land „nur“ friedlich nebeneinander. Der Weg zu einer selbstverständlichen Gemeinsamkeit ist noch weit. Der türkische Sommer könnte das viel größere Märchen werden. Episch gar. Das Problem: Die, die schon immer dagegen waren, fallen der protestierenden Zivilgesellschaft in den Rücken. Der designierte Spitzenkandidat der CDU in Niedersachsen für die Europawahl 2014, Ex-Ministerpräsident David McAllister, spricht sich prompt gegen den EU-Beitritt der Türkei aus: „Die Frage eines EU-Beitritts stellt sich gegenwärtig nicht.“ Und CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt "schreibt auf seiner Webseite":http://www.csu.de/aktuell/meldungen/juni-2013/dobrindt-kein-eu-beitritt-der-tuerkei-sondern-privilegierte-partnerschaft/: „Das Demokratieverständnis der türkischen Regierung ist weiter problematisch. Das zeigt der jüngste Umgang mit Demonstranten in der Türkei. Der brutale Einsatz von Gewalt gegen Bürger ist mit unserem Verständnis von Meinungsfreiheit nicht vereinbar.“ Und natürlich ist das für Dobrindt ein Argument dafür, dass es eine Vollmitgliedschaft dieser (!) Türkei nicht geben könne. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall. Eine Gesellschaft darf nicht an der Regierung gemessen werden, die schamlos prügelt, sondern man muss auf das Volk schauen, das gerade Knüppel frisst. Für Werte, die eigentlich die EU selbst in die Welt tragen will und sollte. "Felix Dachsel hat diese „bessere Türkei“ schön beschrieben":http://flxdax.wordpress.com/2013/06/12/die-bessere-turkei/: „Ein Land, das sich durch Mut, Hilfsbereitschaft und Humor auszeichnet. Luxushotels öffnen ihre Foyers für Verletzte, freiwillige Ärzte versorgen Demonstranten, Anwohner nehmen flüchtende Aktivisten auf. Wäre das in Deutschland möglich? Und egal wie viel Pfeffergas die Polizei auch zwischen die Zelte feuert: Im Gezipark wird weiter getrommelt und getanzt.“
Die türkischen Demonstranten zeigen, warum Europa sich lohnt
Die Türken auf den Straßen und Plätzen zeigen uns „Europäern“ gerade, warum es sich trotz der Krise, die Neid, Angst und Vorurteile entfacht, lohnt, für europäische Ideale zu kämpfen. Europa ist mehr als Wirtschaft und gemeinsame Vergangenheit. Europa kann nur Zukunft bleiben, wenn Menschen bereit sind, für seine Werte zu kämpfen. Die EU muss deshalb auf der Seite der Demonstranten stehen aber mehr als nur Kritik üben. Deutschland kommt dabei die Schlüsselrolle zu. Die CDU/CSU muss ihre Abwehrhaltung aufgeben. Angela Merkel könnte mit wenigen Worten viel von der Kritik und dem Hass ausradieren, der ihr in Europa in den vergangenen Jahren entgegengeschlagen ist. Europa endet nicht, wo das Meer beginnt: Euer Sieg öffnet euch Tür und Tor – tragt das Sternenbanner neben dem Halbmond auf den Taksim-Platz.
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