Die meisten Menschen sind klassenbewusst
Beim Populismus wird gern angenommen, dass es sich um ein Anti-Eliten-Projekt handele. Man beschimpft „die da oben“, will aber auch dezidiert nicht zu ihnen gehören. Übertragen auf die Schichtung der Gesellschaft stelle ich die Antithese auf: auch die Unterschicht will sich abgrenzen, hat eine schützenswerte Kultur und ist attraktiv.

Zum Anfang eine Behauptung: die meisten Menschen sind klassenbewusst. Seit Jahrzehnten gibt es in der deutschen Soziologie die These von einer nivellierten Mittelstandsgesellschaft. So, wie es lange Zeit eine Heteronormativität gegeben hatte nach dem Motto „bloß nicht homo“, ist es ein unausgesprochenes Postulat der Soziologie, die Schere möge sich doch schließen. Spannweite und Varianz unerwünscht. Politisch lautet der Befund mit Aufkommen des Populismus genau umgekehrt: die Mitte geht verloren. Stets ist man davon ausgegangen, dass besonders die Oberschicht ihre Exklusivität bewahren und jeden Aufstiegswillen der Anderen ins Leere laufen lassen wolle. Andererseits wird die Zugehörigkeit zur Unterschicht als pathologisch angesehen. Ist das so?