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> Die unsägliche Praxis der Müllverbrennung

Recyclingland bald abgebrannt

Weil in den Kommunen viel zu große Kapazitäten geschaffen wurden, muss der Müll brennen. Recycling? Ist nicht.

The European

Mit den Wolkenkuckucksheim-Planungen der Kommunen in der Abfallwirtschaft sind in Deutschland massive Überkapazitäten bei Müllverbrennungsanlagen entstanden, die nicht gerade als Wundermaschinen bei der Gewinnung von Wärme und Strom glänzen. Im Städte-Dreieck Bonn-Köln-Leverkusen kann man diesen milliardenschweren Irrsinn stellvertretend für viele andere Gebietskörperschaften bewundern. Der Wirkungsgrad der meisten Verbrennungsöfen erreicht eher beschauliche Werte – kein Wunder, denn die MVAs wurden auf die Abfallbeseitigung ausgerichtet und nicht auf die Energiegewinnung. Umso mehr lasten die Betriebskosten, die über Müllgebühren verrechnet werden, auf den kommunalen Finanzhaushalten. Je weniger Müll in den Verbrennungsöfen landet, desto höher sind die Kosten pro Tonnage. Umso aggressiver steigen die kommunalen Entscheider gegen die mittelständische Recyclingwirtschaft in den Ring, um von Textilien bis Altmetall alles unter ihre Fittiche zu bekommen. Immer mit dem Argument, man brauche neue Einnahmequellen, um die Müllgebühren nicht aus dem Ruder laufen zu lassen.

Gesetzesnovelle stärkt die Begehrlichkeiten der Kommunen
Als Mehrzweckwaffe dient das novellierte Kreislaufwirtschaftsgesetz – hier sorgte der Bundesrat für eine Stärkung der kommunalen Interessen. So können die liebwertesten Gichtlinge in den Städten und Gemeinden gewerbliche Sammlungen von Abfall untersagen, wenn sie nicht wesentlich leistungsfähiger seien als kommunale Dienstleistungen. Und das ist auslegungsfähig. In den vergangenen Monaten sind ziemlich willkürlich langjährig gewachsene Entsorgungsstrukturen zerschlagen worden – zu Lasten des Mittelstandes. Und selbst das inzwischen eingespielte Verpackungsrecycling ist den Lobbyisten des Verbandes kommunaler Unternehmen ein Dorn im Auge. Entsprechend verlangen sie eine Abschaffung der Verpackungsverordnung, um die letzte Bastion mittelständischer Recyclingbetriebe aus den Angeln zu heben. Das ganze Regime der Gelben Tonnen und Säcke sei wenig effizient, wird behauptet.
Recycling-Mythen aus den Tagen des Grüne-Punkt-Monopols
In der Öffentlichkeit haben die Pyromanen leichtes Spiel, denn einige Mythen aus den Anfangszeiten des inzwischen aufgehobenen Müllmonopols des Grünen Punktes haben sich in vielen Köpfen fest verankert. "So auch beim republica-Redner Felix Schwenzel":http://youtu.be/ZTejUqHLQXE. Es würden nur 36 Prozent der Joghurtbecher recycelt. Der Rest wandere in die Müllverbrennung, da diese Anlagen ja Überkapazitäten hätten. Falsch, Felix. Das hätten die Kommunen gerne. Sie buhlen förmlich um diesen Abfall mit Dumpingpreisen von 60 Euro pro Tonne, um den wirtschaftlichen Anreiz für die stoffliche Verwertung zu minimieren. Aber selbst beim Plastikrecycling hat sich der Wind gedreht. Man erkennt es an den gesunkenen Kosten für die Verwertung. Früher war das ein Angebotsmarkt mit negativen Preisen – es mussten kräftig Zuzahlungen geleistet werden, damit der Plastikabfall in die Verwertungsanlagen wandern konnte. Jetzt mausert sich das Ganze zu einem Nachfragemarkt.
Ökobilanz spricht für die stoffliche Verwertung
Nach Angaben der Mainzer Entsorgungsfirma Landbell liegt die Quote der insgesamt verwerteten Kunststoffe deutlich über 100 Prozent, da die gesammelten Mengen die am System beteiligten Mengen übertreffen. Die stoffliche Recyclingquote liegt bei 59 Prozent, der Rest geht in andere Verwertungsverfahren. Damit übertrifft man deutlich die vom Gesetzgeber geforderte Quote von 36 Prozent. Warum die stoffliche Verwertung besser ist als die Verbrennung, kann am Beispiel von Mehrwegflaschen ganz gut erklärt werden. Je mehr Umläufe Plastikmaterial erlebt, desto besser schneidet Recycling ökobilanziell ab. „Studien belegen eindeutig die 3,5-fach so hohe Nutzungsdauer eines Kunststoffs beim Recycling im Vergleich zur Verbrennung“, erläutert Eric Rehbock, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse) in Bonn. Im Müllofen macht es einmal puff und der Sekundärrohstoff löst sich in Rauch auf – mit schlechten Werten bei der Energiegewinnung. Zumindest gilt das für die klassischen MVAs. Mein Kollege Walter Warnecke hat sich die Mühe gemacht, "die Heizwerte aller Müllverbrennungsanlagen aufzulisten:":http://ichsagmal.com/2012/09/10/pyromanen-semantik-mullverbrennung-soll-kunftig-das-gutesiegel-recycling-tragen/ Im Schnitt liegt der Heizwert bei 10.000 Kilojoule pro Kilogramm – das ist mehr als dürftig. Steinkohle besitzt einen Heizwert von bis zu 32.000 Kilojoule pro Kilogramm. Holzpellets liegen bei 18.000, Braunkohlebriketts bei knapp 20.000 und Altreifen bei 32.000. Nur waldfrisches Holz schneidet mit knapp 7.000 Kilojoule pro Kilogramm schlechter als Hausmüll ab.
Die Pyromanen-Zeche zahlen private Haushalte
Man sollte eher der Empfehlung des Weltwirtschaftsinstituts in Hamburg folgen und die Verbrennungskapazitäten reduzieren. Denn auch zukünftig sei mit Unterauslastungen zu rechnen. Ansonsten drohen deutliche Mehrbelastungen für die Müllgebühren-Zahler. Und nun will Brüssel auch noch den Mülltourismus in Europa beenden und das „Prinzip der Nähe“ durchsetzen. Jeder soll vor seiner eigenen Tür kehren. Schlecht für die Pyromanen in den Kommunen, die die Überkapazitäten nicht mehr mit Müll aus Neapel kaschieren können. Allein in NRW sind nach Schätzungen des Bundes der Steuerzahler mittelfristig zwei der 16 MVAs überflüssig. Einen kompletten Abriss müsse es nicht geben, so der Bonner Rechtsanwalt Claus Recktenwald, der mal als Oberbürgermeister-Kandidat für die Beethoven-Stadt im Gespräch war. Ein Rückbau auf den Ortsbedarf würde völlig reichen. „Was uns die Stadtpolitik in Sachen Mülltourismus eingebrockt hat, will jetzt die Landesregierung richten, mit Rückenwind aus Brüssel.“ Ansonsten werden wieder die Müllgebühren-Zahler für die Planungsirrtümer der Kommunalpolitiker zur Kasse gebeten.
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