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> Die Union nach Guttenberg

Im Vakuum und ohne Kompass

Der Union mangelt es nach dem Rücktritt von Guttenberg an Personal mit Format. Dabei ist diese Krise tiefgehender, als sie auf den ersten Blick wirkt. Denn den Parteien fehlt ein Masterplan, um Politik aus einem Guss zu machen.

The European

Mit einem Paukenschlag betrat Ex-CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich in seiner neuen Rolle als Bundesinnenminister die politische Bühne in Berlin. Mit seiner programmatischen Aussage „dass der Islam zu Deutschland gehört, ist eine Tatsache, die sich aus der Historie nirgends belegen lässt“ stellt er sich dezidiert gegen "Bundespräsident Christian Wulff(Link)":http://www.theeuropean.de/richard-schuetze/5855-bundespraesident-auf-reisen; dieser hatte in seiner Festrede zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 2010 mit dem Satz provoziert, der Islam gehöre zu Deutschland. Friedrich wie Wulff agieren mit Kalkül; mit in vielerlei Zuordnungen und Deutungen äquivoken, also mehrdeutigen und auslegungsbedürftigen Formulierungen werden einerseits Positionen markiert und zugleich Rückzugsmöglichkeiten offen gehalten. Die sogleich wieder erhitzt geführte Diskussion war auch von Friedrich intendiert; er wollte einen Stein ins Wasser werfen. Wenn sich die erste Aufregung gelegt hat, kommt die Zeit zu erörtern, was mit dem Verb „gehören“ im begrifflichen Sinn intendiert ist und umfasst sein könnte.

Was ist der Union wichtig?
Im Hintergrund steht die Frage, welchem Wertekanon die Union sich verpflichtet fühlt und welche Grundauffassungen von Welt und Mensch ihr Führungspersonal auch in der Regierung repräsentiert. Mit dem Abgang von „Liebling“ zu Guttenberg „von Bord“ („FAS“) scheint ein wesentlicher Navigator abhandengekommen; schon die Ausstiege von Friedrich Merz, Roland Koch und Jürgen Rüttgers aus der Politik bedeuteten einen enormen Aderlass. Hatte Helmut Kohl es noch vermocht, Leute vom intellektuellen Format eines Kurt Biedenkopf oder Heiner Geißler einzubinden und als „Köpfe“ für die Union in Stellung zu bringen, so gelang es der CDU-Vorsitzenden und Kanzlerin Angela Merkel nicht, einen brillanten Denker und exzellenten Rhetoriker wie den Verfassungs- und Steuerrechtler Paul Kirchhof umsichtig aufzubauen und nachhaltig zu positionieren. Was bleibt, sind der wegen des Biosprits E 10 und der noch nicht gelösten Atomfragen in der Kritik stehende Norbert Röttgen und die sehr konzentriert zu Werke gehende Ursula von der Leyen, die sich trotz uncharmanter Behandlung bei der Auswahl des Kandidaten für die Nachfolge von Bundespräsident Horst Köhler und des Prozedere um den Hartz-IV-Kompromiss unbeeindruckt gibt. Ob Thomas de Maizière in seinem neuen Amt als Verteidigungsminister auch gesamtgesellschaftliche Orientierung wird bieten können, erscheint eher unwahrscheinlich.
Es fehlt der Masterplan
Denn die Probleme liegen noch tiefer, als sie sich in dem zutage tretenden personellen Vakuum an der Spitze der Union offenbaren. Nach der nur knapp gewonnenen Bundestagswahl 2005 und dem ihr zunächst aufgezwungenen Pakt in der großen Koalition mit der SPD, hat die Kanzlerin zielstrebig die beim Leipziger CDU-Bundesparteitag im Dezember 2003 formulierten Grundsätze für eine Gesundheits- und Steuerreform über Bord geworfen. Heute steht die Partei ohne einen bürgerlichen Masterplan und die Kanzlerin wie eine Kaiserin ohne Kleider da. Statt einer Vision für eine Bürgergesellschaft entblößt sie – vielleicht unbeabsichtigt – bei „Anne Will“ in der ARD am 22. März 2009 das ganze Dilemma der Union unter ihrer Führung: „Mal bin ich liberal, mal bin ich konservativ, mal bin ich christlich-sozial – und das macht die CDU aus.“ Da hilft es wenig, dass sie diesen Eindruck in einem "CDU-Video am 15. Januar 2010(Link)":http://www.youtube.com/watch?v=ILlBwQUy4Z8 wieder einzufangen sucht; ihre Behauptung, sie wolle die drei genannten Wurzeln der Union als Volkspartei nicht gegeneinander ausspielen, sondern verfolge einen „Kurs der Mitte“, vermochte nicht zu überzeugen. Vielmehr hat die Union die eigene Mitte verloren und ihr Koordinatensystem in vielen Bereichen aufgegeben; sie schwimmt im Strom des Zeitgeists mit und bietet keine verlässliche Orientierung mehr. Diese Identitäts- und Bewusstseinskrise ist mit dem Fall zu Guttenbergs schmerzhaft klar geworden.
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