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> Die Türkei – Mitglied der EU?

Religionsfreiheit ist der Lackmustest

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Die Türkei ist für Europa ohne Frage ein wichtiger strategischer Partner. Doch ohne Religionsfreiheit, insbesondere den dort lebenden Christen gegenüber, ist ein Beitritt zur EU nicht denkbar.

The European

Die Türkische Republik ist für Europäer sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU ein wichtiger politischer Partner. Es gibt gute Gründe, unsere türkischen Nachbarn vom Bosporus in das Projekt Europa weiter zu integrieren, und dies geschieht schon jetzt auf vielfältige Weise. Ob die Türkei aber ein Mitglied der Europäischen Union werden kann, hängt grundsätzlich von der Erfüllung der Kopenhagener Kriterien ab. Auch politisch-taktische Erwägungen, so nachvollziehbar sie derzeit sein mögen, dürfen nicht dazu führen, dass diese Kriterien aufgeweicht oder relativiert werden und dass die EU sich mit Absichtserklärungen und ersten oder zweiten Schritten in Richtung Beitritt zufriedenstellen lässt.

Die Türkei ist noch sehr weit vom Beitritt entfernt
Ein Blick darauf, wie der türkische Staat zum Beispiel mit den christlichen Minderheiten umgeht, zeigt, dass das Land noch sehr weit davon entfernt ist, den allgemeinen Beitrittskriterien zu entsprechen: Es gibt für Christen in der Türkei keine Religionsfreiheit. Diese traurige Tatsache darf bei der Diskussion um einen möglichen EU-Beitritt der Türkei nicht vergessen werden. Vor dem Ersten Weltkrieg machten Christen innerhalb der Grenzen der heutigen Türkei rund ein Viertel der Gesamtbevölkerung aus, heute sind es noch rund 100.000, also etwa 0,15 Prozent aller in der Republik lebenden Menschen. Das drängendste aller Probleme der christlichen Kirchen in der Türkei ist, dass ihre Einrichtungen nicht als "juristische Körperschaft" anerkannt werden. Infolgedessen dürfen die Gemeinden keine Immobilien besitzen. Das türkische Recht eröffnet zwar theoretisch die Möglichkeit, Stiftungen zu gründen, doch wird dieses Gesetz kaum angewendet. Nicht selten war in der Vergangenheit die Konfiszierung von Immobilien die Regel. Der Streit um die Liegenschaften des Klosters Mor Gabriel ist exemplarisch.
Von "Religionsfreiheit" ist nur bedingt zu sprechen
Grundsätzlich ist die Religionsfreiheit in der Türkei allenfalls eine "gestufte": Der sunnitische Islam wird wie eine Staatsreligion behandelt, es gibt ein eigenes Ministerium für die Belange dieser Religion. Allerdings ist auch hier von "Religionsfreiheit" nur bedingt zu sprechen: Die rigide staatliche Einbindung und Förderung des sunnitischen Islams dient vor allem der Kontrolle; der "laizistische" Staat fürchtet religiöse Eiferer und Separatisten, die die Einheit des einheitlichen Nationalstaats infrage stellen. Die anderen Religionen einschließlich des Judentums gelten gleichzeitig als "nicht türkisch"; Anliegen christlicher Minderheiten werden bezeichnenderweise zum Beispiel nur im Außenministerium und nicht im Innenministerium behandelt. Diese und andere Formen der staatlichen Unterdrückung christlicher Minderheiten haben dazu geführt, dass viele Christen aus ihrem Heimatland flüchteten oder emigrierten. Ob die christlichen Kirchen in der Türkei überhaupt eine Zukunft haben, ist sehr fraglich. Bei den griechisch-orthodoxen Christen etwa ist auch die Ausbildung priesterlichen Nachwuchses unterbunden: Das eigene Priesterseminar auf Chalki/Heybeliada ist seit 1971 geschlossen. Wer aber die Ausbildung von Geistlichen unterbindet, nimmt der Kirche die Zukunft. Ähnlich sieht es mit den Armeniern und Syrern aus. Der künftige Umgang der türkischen Regierung mit der Religionsfreiheit ist der Lackmustest für die Tauglichkeit der Türkei als EU-Mitglied. Bevor ein Beitritt in Erwägung gezogen wird, muss sich die Situation der christlichen Minderheiten entschieden verbessert haben.
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