„Alternative EHEC-Quellen wurden völlig ausgeblendet“
Der Mediziner Klaus-Dieter Zastrow beschäftigt sich intensiv mit Hygiene und Epidemieprävention. Mit Martin Eiermann sprach er über die schwierige Suche nach dem EHEC-Erreger und die Restrisiken menschlichen Lebens.

*The European: Deutschland erlebt aktuell einen Crashkurs in medizinischem Grundwissen, wir reden über EHEC und HUS. Was ist der Unterschied?* Zastrow: EHEC ist erst einmal die Bezeichnung für einen Keim – Enterohämorraghische Escherichia coli –, ein Bakterium. Und HUS ist die Abkürzung für das hämolytisch-urämische Syndrom. Syndrom ist eine medizinische Bezeichnung für ein Krankheitsbild. Wenn man mehrere Symptome hat, die zur gleichen Zeit auftreten, dann nennt man das ein Syndrom. Das Bakterium EHEC kann HUS verursachen. Das sind aber zwei völlig verschiedene Sachen. Es gibt zum Beispiel sehr oft die Situation, dass EHEC-Bakterien nicht zum HU-Syndrom führen. *The European: Was wissen wir denn eigentlich über dieses Bakterium? EHEC an sich ist ja kein neuer, unbekannter Erreger.* Zastrow: Über dieses Bakterium weiß man, dass es im Prinzip ein Allerweltskeim ist. Er gehört zur Sorte der Colibakterien, die fast alle Menschen im Darm haben. Aber es gibt mehr als nur eine Art von Colibakterien. Die Erreger im konkreten Fall sind in der Lage, Toxine – also Gifte – zu bilden, die in unserem Körper die Zellen angreifen und zum Beispiel dann auch rote Blutkörperchen zerstören. Das kann zu Nierenfunktionsstörungen führen, im aktuellen Fall führt es auch vermehrt zu neurologischen Störungen. Die Toxine wirken wie ein Nervengift und können im Extremfall auch die Nieren komplett zerstören beziehungsweise sie völlig funktionsunfähig machen. *The European: Wo liegen jetzt die Unterschiede zwischen dem Allerweltsbakterium und dem Auftreten von schwereren Komplikationen im Zuge der aktuellen EHEC-Epidemie?* Zastrow: Das Allerweltsbakterium hat genau dieses Gift nicht. Das ist der einzige Unterschied. Das reicht ja aber auch schon.