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> Die Sprache der Bischöfe

Es fährt ein Zug nach Nirgendwo

Bisher war das Christentum immer auch Sprachereignis. Ist damit nun Schluss? Die Erklärungen der Bischofskonferenz lassen es befürchten.

The European

Man kann nur hoffen, dass in den Datenbanken der Berufsinformationszentren dieses Zielwort nicht erscheint: Bischof. In keinem anderen Beruf ist es schwieriger, irdische Bestätigung, Anerkennung und Prestige zu erhalten. Bischöfe sind Menschen, die es prinzipiell niemandem recht machen. Den einen sind sie zu fromm, den anderen zu modern, den Dritten qua Existenz ein Dorn im Auge. Darum ist es gut, dass es Bischöfe als universales Kontrastmittel gibt. Freilich stellt sich die Frage, ob der Berufszweig selbst länger Kontrastmittel sein will. Ist man vielleicht des Daseins als Watschenmann müde, ist man innerlich mürbe geworden ob der immer nur exzentrischen Position? Das Christentum war bisher stets auch Sprachereignis. Von Paulus über Bernhard von Clairvaux und Johannes vom Kreuz bis Abraham a Sancta Clara, von Luther über Zwingli und Melanchthon zu Karl Barth bis Urs von Balthasar und Hugo Rahner: Sie alle formten eine ganz eigene Sprache, weil sie sich innerlich ganz besonders geformt wussten, unverbogen, unbeugsam. Soll mit dieser verbalen Distinktion, soll mit dem Christentum als Sprachereignis Schluss sein?

Christentum als Sprachereignis
Auf eine solche Zäsur deuten zumindest die Worte, mit denen in der zurückliegenden Woche die "Herbstvollversammlung" der römisch-katholischen Deutschen Bischofskonferenz (DBK) zu Ende ging. Robert Zollitsch, aktuell Vorsitzender der DBK, warb im Schlussreferat für die Kirche als Institution, die "eine konsequente Option für die Menschen" wahrnehme. Das ist ehrenwert, tadellos, verwechselbar. Haben sich eine solche Option nicht alle politischen Parteien auf die Fahnen geschrieben? Meinen nicht auch Drogeriemärkte, Baustoffhandlungen und Heilpraktiker, sie nähmen die "Option für die Menschen" sehr ernst? Und sind Optionen, wie konsequent auch immer, nicht Handlungsmöglichkeiten aus einer unüberschaubaren Auswahl, für die man stets nur vorläufig, nie "vom Anfang der Welt bis zu ihrem Untergang" optieren kann? Die DBK will fernerhin "die Nähe zum Leben der Menschen von heute" suchen und befindet sich damit abermals in enger Nachbarschaft zu Politik und Gewerbe. Die DBK will "zu den Menschen von heute wirklich und verständlich finden" – als lebten heute allüberall "Menschen von gestern", die bisher den Blick auf eine offenbar sehr kostbare, sehr umworbene Spezies, die "Menschen von heute", verstellt hätten. So redet man vermutlich aus schlechtem Gewissen; ein Pleonasmus ist es dennoch. Gleiches gilt von der "tatsächlichen Lebenssituation", auf die man nun anstelle offenbar bisher irrealer Situationen "eingehen" will.
Managersprech statt Kirchenlatein
Die DBK will auch "die eigene Sensibilität für die Welt von heute stärken und sprach- sowie auskunftsfähig bleiben". Ergo müssen wir uns denken, die "Welt von heute" sei ein neues Phänomen, das nun erst ins Bewusstsein trete – dabei findet doch jedes Leben in der "Welt von heute" statt. Und wir könnten zweitens denken, es gäbe eine Sprache, die keine Auskunft gibt, und eine Auskunft jenseits der Sprache: Beides ist Unfug oder Dadaismus. Auch will die DBK eine "Dialoginitiative" starten – ein Verfahren, das man sich wohl von den Regionalkonferenzen strauchelnder Volksparteien abgeschaut hat. Dieser "strukturierte Dialog auf der Ebene der Bistümer über das Bezeugen, Weitergeben und praktische Bekräftigen des Glaubens" ist nicht nur, wenn das Programm hält, was der Name androht, ein sehr hauptwortlastiges Vergnügen. Er wird auch, unter der Überschrift "Umkehr und neuer Aufbruch" – gibt es einen alten Aufbruch? –, nostalgische Inhalte einschließen. Knapp 50 Jahre alte „Konzilsdokumente“ sollen eine "Neuaneignung" erfahren, besonders die gut abgehangene Paragrafenschrift "Freude und Hoffnung" zur "Kirche in der Welt von heute", also von 1965. Demnach eher eine aufbrechende Rückkehr ins Vorgestrige? Schließlich will die DBK am Messbuch, das zu erneuern der Vatikan angemahnt hat, nicht oder kaum rütteln. Die Begründung ist aufschlussreich: Die alte Fassung sei den Priestern und Gläubigen "vertraut", und ebendiese Gewöhnung sei ein "hoher Wert". Damit aber, nimmt man den Konnex ernst, erübrigen sich sämtliche Debatten über Aufbrüche, Neuanfänge, Bekehrung. Die Konvention wird zur leitenden Instanz. "Und ich mag mich nicht bewahren", dichtete der unruhige Romantiker Joseph von Eichendorff. Ein Apostel namens Paulus schrieb, man möge alles prüfen und das Gute behalten. Die bischöfliche Losung 2010 scheint eher zu lauten, das Gewohnte zu bewahren, das Heutige zu verstetigen, das Diesseits zu verdoppeln. Ist das nur eine Phase oder macht das jetzt Epoche?
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