Stresstest in der NATO
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Die NATO riskiert mit der extremen Aus-, manche sagen bereits Überreizung, des UN-Mandats die Anwendbarkeit der Schutzpflicht. Wir brauchen nun Geduld, um zu sehen, was militärischer Druck, Sanktionen und die Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofs bewirken. Jede weitere Intensivierung des Einsatzes bewirkt die permanente Demontage einer internationalen Norm, die so wichtig wie einmalig ist.

Die Anwendung der Schutzpflicht in Libyen und der Elfenbeinküste lässt zwei Lesarten zu. Die eine ist, dass die Norm der Responsibility to Protect (R2P) durch die Einsätze gestärkt wurde, da sie erstmals seit dem entsprechenden UN-Beschluss von 2005 angewendet wurde. Die andere Interpretation der Ereignisse ist kritischer und bezieht sich auf die "drohende Überstrapazierung des UN-Mandats(Link)":http://www.theeuropean.de/otfried-nassauer/6425-r2p-zwischen-recht-und-moral durch die NATO-Mission - die aktuellen Ereignisse markieren in dieser Lesart eine Art Hochwasserstand, von dem aus die Welle nun immer schwächer werden wird, die Norm also an Bedeutung verliert. Ein solcher Bedeutungsverlust wäre zutiefst bedauerlich, denn die globale Akzeptanz der Schutzpflicht steht für einen bedeutenden Normwandel. Seit Jahrhunderten gilt alles, was hinter den Grenzen eines Landes geschah, und war es noch so grausam, als interne Angelegenheit. Jetzt, zumindest in der Theorie, muss sich jeder Staat damit befassen und reagieren. Es ist die Hoffnung, dass Massen- und Völkermorde und andere besonders schwere Verbrechen aufgehalten werden können, wenn aus der theoretischen Pflicht eine praktische Handlung erwächst.