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> Die Kunduz-Affäre

„Es gibt ein berechtigtes Interesse an Aufklärung“

Verteidigungsminister zu Guttenberg spricht im Interview mit The European über eine mögliche Aussöhnung mit den Taliban, die Notwendigkeit der öffentlichen Diskussion zu Afghanistan, die zukünftige Position gegenüber dem Iran und darüber, wie er persönlich Kraft schöpft.

The European

*The European: Wie gehen Sie mit dem Druck um, der seit dem Ausbruch der Kunduz-Affäre auf Ihnen lastet?* zu Guttenberg: Es ist zwar richtig, dass die öffentliche Aufmerksamkeit seit dem Luftschlag bei Kunduz am 4. September deutlich gestiegen ist, als Druck empfinde ich diese Aufmerksamkeit indes nicht. Es gibt ein berechtigtes Interesse an Aufklärung. Dafür habe ich die erforderlichen Maßnahmen ergriffen, und auch der Untersuchungsausschuss wird, wenn es gelingt, sich dort von parteipolitisch motivierten Spielchen frei zu machen, zu dieser Aufklärung beitragen. *The European: Gerät in dem Gezänk darum, wer wann welchen Bericht gesehen und gelesen hat, nicht die eigentliche Frage in den Hintergrund, um die es geht: Welche Vorstellung haben wir von einem befriedeten Afghanistan und wie erreichen wir das?* zu Guttenberg: Es ist schon erstaunlich, mit welcher Inbrunst bisweilen Details analysiert werden. Die Gefahr, den Wald vor lauter Bäumen zu übersehen, besteht dabei durchaus. Afghanistan wird sich nicht über Nacht zu einer Musterdemokratie entwickeln. Wir sind in einigen Fragen auf einem guten Weg, aber lange noch nicht am Ziel. Das Ziel ist klar. Die Afghanen müssen in die Lage versetzt werden, für ihre Sicherheit sorgen zu können, dann entfällt auch der Grund für eine internationale Präsenz. Wir haben in den letzten Jahren immer wieder, auch im Deutschen Bundestag, leidenschaftlich über Afghanistan debattiert, aber vielleicht waren wir in der Darstellung der Wirklichkeit zu optimistisch, wir haben nicht immer mit der nötigen Klarheit Missstände und Gefährdungen beim Namen genannt. Wenn uns die Diskussion der letzten Monate hier zu neuen Einsichten bringt, wäre dies in der Tat nicht das Schlechteste.

"Aussöhnung ist das Stichwort"
*The European: Hat der Konflikt dahin gehend etwas Gutes, dass diese Fragen nun in der Öffentlichkeit diskutiert werden?* zu Guttenberg: Ich halte die breite politische Diskussion um unseren Einsatz in Afghanistan für unverzichtbar und bin dankbar, dass wir diese heute auch so offen führen. Ich würde mir allerdings wünschen, dass wir dabei weniger über Obergrenzen von Truppenstärken sprechen und stattdessen mehr über das notwendige Zusammenwirken zivilen und militärischen Engagements. Die Bundesregierung hat hierfür die richtigen Weichen gestellt. *The European: SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hat Sie heftig attackiert, dabei war er Chef im Außenamt, als die Tanklaster vor Kunduz bombardiert wurden. Wird der Ausschuss eine heikle Angelegenheit für ihn?* zu Guttenberg: Ich will hier nicht spekulieren. Frank-Walter Steinmeier hat als Außenminister alle wesentlichen Entscheidungen der Legislaturperiode mitgetragen. *The European: Die Afghanistan-Konferenz hat als Ergebnis das Vorhaben einer stärkeren Kooperation mit den Taliban. Wie soll diese neue Strategie aussehen?* zu Guttenberg: Aussöhnung ist das Stichwort. Die Taliban sind ja keine homogene Gruppe, es gibt unter den Taliban durchaus unterschiedliche Gruppierungen und Motive. Die Kunst der Diplomatie wird darin bestehen, diejenigen zu identifizieren, die ansprechbar sind, und jede Chance, Veränderungen über Verhandlungen auf den Weg zu bringen, ist richtig. Wichtig ist aber auch: Wir müssen aus einer Position der Stärke verhandeln, und es gibt rote Linien. *The European: Wie lange wird die Bundeswehr noch in Afghanistan sein?* zu Guttenberg: Ich will hier keine Zahl nennen, dies wäre unseriös. Klar ist, dass das Engagement der Bundeswehr in Afghanistan dann nicht mehr erforderlich sein wird, wenn die Afghanen in der Lage sind, selbst für ihre Sicherheit zu sorgen. Und es muss unser Ziel sein, dass dieser Zustand eher früher als später eintritt.
"Selbstverständlich bleibt das Einstimmigkeitsprinzip im NATO-Rat erhalten"
*The European: Würden Sie, so wie Ihr Amtsvorgänger Jung, sagen, dass Sie für die Soldaten der Bundeswehr beten?* zu Guttenberg: Als praktizierender Christ vertraue ich auf die Kraft des Gebets, aber dies muss jeder mit sich selbst ausmachen. *The European: Was gibt Ihnen persönlich Rückhalt, in dieser schwierigen Zeit zu bestehen?* zu Guttenberg: Meine Familie, allen voran meine Frau und meine Kinder, mein Glauben und meine Überzeugungen, auch das Wissen um Grenzen unseres Handelns. *The European: Sie haben sich auf der Münchner Sicherheitskonferenz für eine Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips der NATO ausgesprochen, nannten es eine "gepflegte Absurdität", halten gleichzeitig den Konsens für die Stärke der Allianz. Wie können wir uns das in der Praxis vorstellen?* zu Guttenberg: Selbstverständlich bleibt das Einstimmigkeitsprinzip im NATO-Rat erhalten. Dies ist schon eine Konsequenz aus dem Umstand, dass es bei den Entscheidungen der Allianz um Fragen geht, die die nationale Souveränität unserer Staaten berühren. Konsens war immer die Stärke und muss es auch in Zukunft bleiben. Dies steht außer Frage. Konsens heißt aber nicht, dass wir in allen der 300 Ausschüsse und Unterausschüsse der Nordatlantischen Allianz auch wirklich Einstimmigkeit haben müssen. So entstehen bisweilen Selbstblockaden und Verzögerungen, die nationalen Egoismen entspringen. Konsens und Kompromiss, in der richtigen Balance, sind keine Gegensätze. *The European: Thema Iran. Waren Sie überrascht über Teherans neuerliche Androhungen, mit der Hochanreicherung von Uran zu beginnen, wie auch über die deutliche Sprache von US-Senator Lieberman bezüglich eines militärischen Eingreifens?* zu Guttenberg: Ich wundere mich schon lange über die Hartnäckigkeit, mit der der Iran alle substanziellen Angebote der internationalen Staatengemeinschaft für eine zivile Nutzung seiner Nuklearkapazitäten ausschlägt. Deshalb ist jetzt auch wieder der Sicherheitsrat am Zug, um seiner Verantwortung für die internationale Sicherheit und den Weltfrieden gerecht zu werden.
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