Darum erregt der Papst meinen Zorn
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Benedikt verleumdet die pluralistische Demokratie, deutet die Geschichte systematisch um und akzeptiert die Trennung von Religion und Naturwissenschaft nicht. Deshalb müssen wir die Würde des aufgeklärten Europäers gegen die Anmaßungen Roms verteidigen.

Ein Kollege ruft an. Er müsse mir die betrübliche Mitteilung machen, dass er meine Streitschrift gegen Papst Benedikt XVI. im Radio verreißen werde. Woher denn mein Hass gegen die Kirche komme, mein Zorn gegen diesen ehrenwerten alten Mann? Was sollte ich dem Kollegen sagen? Ich habe ihm natürlich für den Verriss Absolution erteilt. Und erklärt: Ich habe keinen Hass auf die Kirche; wohl aber einen Zorn auf Benedikt XVI. Was meinen Zorn erregt, ist nicht sein Rollback innerhalb der Kirche. Was mich erzürnt, ist sein Angriff auf die moderne Gesellschaft. Benedikt verleumdet die pluralistische Demokratie als "Diktatur des Relativismus". Ich lebe in einer anderen Welt. Ich sehe überall um mich herum Menschen, die hart arbeiten, die sich oft genug gesellschaftlich oder politisch engagieren. Ich sehe eine Gesellschaft, die sich wie keine zuvor in der Geschichte um die Schwachen kümmert. Man frage einmal, wie es um die Moral in jenen Gesellschaften bestellt war, wo die katholische Kirche einst das Sagen hatte – in Francos Spanien, Salazars Portugal oder in James Joyces "priest-ridden" irischer Republik. Gemessen an der Bigotterie, die überall dort herrscht, wo diese Religion über Macht verfügt, sind die modernen, gottlosen Gesellschaften Europas geradezu Muster an Moralität.