Weniger Privatschulen!
Über den Privatschulboom darf sich der Staat nicht beschweren, ist er mit seiner Bildungspolitik doch selbst für den Trend verantwortlich.

*Den Text vorlesen lassen* Immer mehr Eltern bekunden ein Interesse an Privatschulen. Da stellt sich die Frage, welche Vorteilserwartung sie damit verbinden. In einer der wenigen repräsentativen Elternbefragungen durch die Gesellschaft für Erfahrungswissenschaftliche Sozialforschung (GEWISS) von 2006 wurde die Erwartung eines besseren Sozialmilieus und einer besseren Persönlichkeitsbildung am häufigsten genannt – gefolgt von der Erwartung günstigerer Lernbedingungen, höherer Lernleistungen und besserer Chancen des Kindes im Berufsleben. Der Glaube an die Vorteile eines Privatschulbesuchs ist Ausdruck einer verbreiteten Glorifizierung der Privatschulen. Der Faktencheck zeigt jedoch: Weder haben Privatschulen geringere Klassenstärken als die entsprechenden öffentlichen Schulen, noch ist die Erfolgsquote beim Abitur signifikant höher. Bei den Schulleistungen sind für vergleichbare SchülerInnen öffentlicher und privater Schulen kaum Unterschiede auszumachen. Auch finden sich keine belastbaren Hinweise auf einen größeren Berufserfolg von AbsolventInnen privater Schulen. Erfüllt wird dagegen die Erwartung eines besseren Sozialmilieus. Privatschulen bieten der bildungsbewussten, auf Abgrenzung bedachten „Bürgerlichen Mitte“ die gewünschte Distinktion und habituskonforme Milieunähe. Bildungsnahe Familien nutzen denn auch deutlich häufiger dieses Angebot als bildungsferne Familien. In der "aktuellen JAKO-O- Bildungsstudie(Bildungsstudie)":http://www.jako-o.de/engagement-aktionen-fuer-kinder-freundlichkeit-bildungsstudie-3-jako-o-bildungsstudie--00127000/ findet sich der Hinweis, dass die Wahrscheinlichkeit des Privatschulbesuchs für Kinder, deren Eltern Abitur oder zusätzlich einen Hochschulabschluss haben, fast doppelt so hoch ist wie für Kinder, deren Eltern nur den niedrigsten Schulabschluss aufweisen. Wissenschaftliche Analysen zeigen, dass nicht das (meist nur moderate) Schulgeld die entscheidende Hürde für den Besuch einer Privatschule darstellt – wie die Privatschullobby glauben machen will – sondern die Distanz bildungsferner Familien zu dem dort vorherrschenden mittelschichtorientierten Schulmilieu.