Die Cyber-Krieger des 21. Jahrhunderts
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Die Welt sieht zum ersten Mal einen „modernen“, digitalen Krieg. Ob Hacker, (soziale) Medien, Kommunikation: Digitale Technologien spielen eine immer größere Rolle – und sorgen aktuell im Ukraine-Krieg mit dafür, dass Putins Kalkül bisher nicht aufgeht. Welche Bedeutung hat der Cyber-War? Eine Analyse von Christian Jakubetz.

Man nehme diesen Text hier, kopiere ihn – und hinterlasse dann eine Bewertung in einem russischen Restaurant:
[caption id="attachment_49988" align="alignnone" width="1170"] Mit Copy & Paste in Google-Maps einfügen: Vorbereiteter Text von Anonymus.[/caption]
Was auf den ersten Blick unsinnig klingt, gehört tatsächlich zu den vielen digitalen Nadelstichen, die gerade gegen das kriegstreibende Russland gesetzt werden. Der über Google Maps einzukopierende Text ist nämlich gar keine Bewertung des Restaurants (das wäre ja auch sinnlos). Tatsächlich handelt es sich dabei um folgende Mitteilung:
Apropos Anonymus: Das Hacker-Kollektiv hat sich auf Putins Russland eingeschossen. Die Webseite des Kreml wurde dabei ebenso erfolgreich attackiert wie das russische Staatsfernsehen. Die Gruppierung erklärte zudem Russland den Krieg und stellte sich demonstrativ an die Seite der Ukraine. Auch hier gilt: Der Krieg wird nicht durch Anonymus entschieden. Aber zum Gegner haben will man den Laden dann auch wieder nicht haben.
Zumal es bei der digitalen Kriegsführung um weitaus mehr geht als um das Streuen oder eben auch das Verhindern von Informationen (im Falle Russland eher: Verhindern von Propaganda). Digitale Technik als Waffe, der „Cyber-Krieg“ – das alles taucht angesichts der aktuellen und leider sehr realen Bilder aus der Ukraine kaum als Thema auf. Tatsächlich aber gehören Cyber-Angriffe schon lange zum Arsenal, auch in friedlichen Zeiten übrigens. Alleine in Deutschland sind nach Schätzungen von Experten der deutschen Wirtschaft Schäden im Jahr 2020 in Höhe von 223,5 Milliarden Euro durch den Diebstahl von Daten, Spionage und Sabotage entstanden.
Cyber-Krieg: Keiner ist vor dem anderen sicher
Eine andere Zahl belegt, dass gerade Russland das Thema Cyber-Krieg keineswegs fremd ist. In Deutschland konnte zwar der Großteil der schwerwiegenden Angriffe für den Zeitraum ab 2011 keinem Staat zugeordnet werden. Russische Akteure machen allerdings mit 28 Prozent der Cyber-Vorfälle die Mehrheit der Fälle mit bekanntem Ursprung hierzulande aus. In der Ukraine konnten dagegen ungleich mehr Cyberattacken einem Staat zugeordnet werden, hier überwiegen Angriffe aus Russland deutlich: Vier von fünf Cyberangriffen auf die Ukraine kamen demnach aus Russland. Das zeigt eine aktuelle Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW).
Im Ukraine-Krieg könnte das Thema Cyber-Krieg noch eine ganz andere Dimension bekommen. Da ginge es dann beileibe nicht mehr „nur“ um ein paar Daten und lahm gelegte Server. Stattdessen könnten virtuelle Attacken buchstäblich kriegsentscheidend sein. Von US-Präsident Joe Biden beispielsweise heißt es schon seit längerem, dass er Pläne für eine umfassende Cyber-Attacke auf Russland in der Schublade habe. Damit könnten, einen erfolgreichen Angriff vorausgesetzt, etliche Infrastrukturen in Russland lahmgelegt und das Land somit an den Rand der Funktionsfähigkeit gebracht werden.
Dass die USA bei einem solchen Schritt zögern, hat einen simplen Grund: Wie im „richtigen“ Krieg würde ein solcher Schritt fast zwangsläufig zur Eskalation führen. Was für Russland gilt, gilt auch für die USA. Jede IT-Infrastruktur ist angreifbar, eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht.
Gut möglich also, dass es zu einem staatlich geführten Cyber-Krieg nicht kommen wird. Dafür aber zum digitalen Gegenstück des Partisanen- und Häuserkampfs. Was der bewirken kann, hat Anonymus bereits mehrfach gezeigt. Und zumindest rein zahlenmäßig sollten pro-russische Hacker eindeutig in der Unterzahl sein.