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> Die CSU war nie eine Partei der leisen Töne

Mehr weißblaue Gelassenheit!

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Die CSU hat im unionsinternen Streit der vergangenen Monate mehr erreicht, als sie hoffen konnte. Auch ihre Wahlperspektiven sind nicht schlecht. Die Bayern wären deshalb gut beraten, jetzt einmal einen Gang zurückzuschalten.

The European

Was für eine Kehrtwende: Nur wenige Wochen, nachdem Angela Merkel auf ihrer diesjährigen Sommer-Pressekonferenz trotzig wie ein fußstampfendes Schulmädchen ihr Wir-Schaffen-Das-Mantra wiederholt hatte, nun die Korrektur. Keine Rede mehr davon, dass das dünne Sätzchen zum Markenzeichen ihrer Kanzlerschaft taugen könnte. Sie revidiert ihre Losung also doch noch und spricht von einem zu „schlichten Motto“ und einer „Leerformel“. Was will die nimmersatte CSU denn mehr? Einen förmlichen Kotau, der doch letztlich nur noch als Rücktritt denkbar wäre?

Die Korsettstange der Republik
Es war selbstverständlich nicht nur die Dauerkritik aus München, die Merkel einknicken ließ. Die jüngsten Wahldebakel der CDU und der fulminante Durchbruch der AfD führten zum Sinneswandel. Die CSU darf sich allerdings zugute halten, als einzige der im Bundestag vertretenen Parteien nicht in den gefühligen Taumel des Jahres 2015 mit verfallen zu sein. Die Euphorie jener Wochen, forciert durch den distanzlosen Willkommens-Journalismus vieler Leitmedien, haben Horst Seehofer und die Seinen von Anfang an als naive Sozialromantik gebrandmarkt. Einem alten Wort Edmund Stoibers zufolge, habe die CSU die Funktion einer „Korsettstange der Union“, sie müsse so etwas wie das konservativ-bürgerliche Gewissen von CDU/CSU sein. In den vergangenen Monaten war die CSU womöglich sogar die Korsettstange der Republik. Nach dem kollektiven Überschwang hat sich mittlerweile eine Art Dauer-Kater breitgemacht. Und wenn heute Merkels prominentester Fürsprecher, der amerikanische Präsident, sie noch einmal vor der UNO preist, imponiert das hierzulande kaum noch jemandem. 10.000 Syrer haben die großen USA aufgenommen, mithin als „Obergrenze“ definiert. So viele kamen vor einem Jahr tagtäglich in Deutschland an – bis nachmittags, am Abend waren’s dann gerne auch mal ein paar tausend mehr. Auch wenn es viele Nord-, West- und Ostdeutsche aufgrund antibayerischer Ressentiments ungern zugeben würden, die Skepsis der CSU an Merkels Migrations-Politik teilt mittlerweile eine große Mehrheit der Bürger. Sage und schreibe 82 Prozent, hat jetzt eine Umfrage des SPIEGEL ergeben, sind mit Merkels Kurs nicht einverstanden.
Granteln gehört zum Handwerk
Die CSU war nie eine Partei der leisen Töne. In den Monaten nach der Grenzöffnung blieb ihr freilich auch nichts anderes übrig, als lautstark zu poltern, denn die parlamentarische Opposition im Bundestag war sogar noch radikaler Richtung „Open Borders“ unterwegs als die Regierungschefin. Aber warum holzt die CSU weiter, jetzt, da sich die Stimmung in der Bevölkerung zu ihren Gunsten gedreht und die Kanzlerin sich öffentlich relativiert hat? Sollte man nicht erst einmal abwarten, welche Taten den Worten folgen? Warum legt sich der Generalsekretär der C-Partei aus Bayern mit den Kirchen an? Jeder Proseminarist der Politikwissenschaft hat doch bei Max Weber gelesen, dass die Kirchen kaum anders können, als gesinnungsethisch zu argumentieren. Muss man in einem Positions-Papier abendländische Migranten privilegieren? Gerade springen etliche in diesem Land – nicht nur die Kanzlerin – über den eigenen Schatten, warum stößt man die ausgerechnet jetzt vor den Kopf? Ist das Triumphgeheule oder doch Anbiederung bei potenziellen AfD-Wählern?
Die letzte Volkspartei
Kein Wunder, wenn deshalb immer wieder über ein Schisma der beiden Unionsparteien geraunt wird, jetzt sogar einmal aus dem konservativen hessischen CDU-Verband. Dabei muss doch jeder wissen, dass die zwei Parteien schicksalshaft aneinander gekettet sind. Offen ist einzig die Frage, wer von den beiden den anderen mehr braucht. Gründet die CDU morgen einen bayerischen Landesverband, ist die essentielle Heimstärke der CSU im Freistaat für immer und ewig dahin. Tritt die CSU wiederum in ganz Deutschland an, schrumpft die CDU bundesweit auf eine Größenordnung, die sie jetzt schon in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin praktisch einüben muss. Das Abonnement aufs Kanzleramt hätte eine 20-minus-X-CDU jedenfalls verspielt. Nein, die beiden brauchen einander weiterhin so, wie sie sind: Die regionale CSU und die nationale CDU. Am Abend der Berlin-Wahl waren sich die meisten Kommentatoren einig: Den Volksparteien laufe das Volk davon, es gebe keine wirklich großen Parteien mehr, hieß es unisono. Die CSU gebärde sich so renitent, wissen überdies viele Analysten, weil sie die Hosen gestrichen voll habe vor den Landtagswahlen in Bayern im Herbst 2018. Was für ein Unsinn! Die CSU liegt in allen Umfragen in Bayern in der 45-Prozent-Zone, sie war, ist und bleibt eine Volkspartei. Was die Bayern-Kenner in den Berliner Redaktionsstuben zudem traditionell übersehen, sind die Freien Wähler, die seit vielen Jahren die drittstärkste Partei im Freistaat sind und für die bayerische Wahlarithmetik nicht weniger als ausschlaggebend sind. Der „GAU“ für die CSU sieht zwei Jahre vor der Wahl so aus: Sie läge am Ende wirklich nur um die 40 Prozent und die Freien Wähler und die FDP und die AfD schafften den Einzug in den Landtag. Dann, und nur dann, wäre die absolute Mehrheit der Sitze in Gefahr. Naja, dann wäre es halt wie 2008, die CSU müsste erneut in den sauren Apfel beißen und koalieren. Nochmals mit der FDP, wie damals vielleicht. Oder, sehr naheliegend, mit den Freien Wähler, die, am Rande sei’s erwähnt, die Merkel‘sche Flüchtlingspolitik genau so kritisch sehen wie die CSU. An eine Servus-CSU-Koalition in Bayern, zusammengesetzt aus SPD, Grüne, Freie Wähler und FDP plus AfD(!), kann doch kein Mensch ernsthaft glauben. Natürlich ist die CSU in Bayern immer zum Regieren verdammt, aber es gibt derzeit kein einziges realistisches Zahlenspiel, wonach Ende 2018 ein Ministerpräsident in der Staatskanzlei hocken könnte, der nicht von der CSU kommt.
Wer geht nach Berlin?
Wenn es also eine Partei gibt in Deutschland, die Grund zur Gelassenheit hätte, dann ist es das Unikum aus Bayern. Es sei denn, die CSU würde sich in den zwei verbleibenden Jahren am Ende doch noch in einem selbstzerstörerischen Personalgerangel verheddern. Angesichts der dramatischen Großwetterlage muss die CSU bei der Bundestagswahl 2017 ein echtes Schwergewicht nach Berlin schicken, womöglich sogar ihren Parteivorsitzenden, so wie früher Franz Josef Strauß und Theo Waigel in der Bundeshauptstadt waren. Nachdem Markus Söder die Partei mittlerweile in der Nachfolgefrage auf seine Seite gezogen hat, läge es nahe, dass er sich zum Parteivorsitzenden wählen lässt und als Spitzenkandidat in den Bundestag geht. Doch sein oberstes Ziel heißt nun mal Ministerpräsident in München, er traut sich einfach nicht aufs unbekannte Berliner Terrain. Nach Söders Nein zu Berlin, muss die CSU darüber nachdenken, ob Horst Seehofer nicht bereits 2017, also ein Jahr früher als versprochen, den Ministerpräsidenten-Posten an Söder abgibt und als CSU-Vorsitzender in den Bundestag zurückkehrt, dem er ja bereits 28 Jahre lang angehört hat. Damit wäre vielleicht ja auch endlich das Kriegsbeil zwischen den beiden Männer-Feinden Seehofer und Söder begraben. Die CSU wird bei der kommenden Bundestagswahl höchstwahrscheinlich wieder alle bayerischen Direktmandate ergattern und schon deshalb werden ihre Abgeordneten Gewicht haben. Sollte es im Bund nochmals eine Regierungsbeteiligung der CSU geben, müsste sich der dann 68-jährige Seehofer nicht in die Kabinettsdisziplin einbinden lassen. Er könnte sich mit dem Partei- und Landesgruppen-Vorsitz und der Rolle als bayerischer Chefaufpasser in Berlin bescheiden. Vielleicht ließe sich dann sogar noch Joachim Hermann in der Regierung installieren, der im Gegensatz zum aktuellen Bundesinnenminister meist Bella Figura gemacht hat. Die CSU hat also mehr Trümpfe in der Hand, als sie so hyperventilierend, wie sie sich derzeit gibt, wohl selber glaubt. Ein weißblaues „Schau‘n mer mal“ wäre im Moment angesagt und nicht dieses Dauer-Granteln.
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