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Die CDU darf die Zustimmung der AfD nicht fürchten

Der Chef der CDU-Grundwertekommission Andreas Rödder ist von seinem Posten zurückgetreten, nachdem er viel Widerspruch wegen seiner Haltung erfahren hat, dass Unterstützung durch die AfD auch mal sinnvoll sein könnte. Unser Autor Thomas Bippes, Professor für Medien- und Kommunikationsmanagement, sieht es ähnlich und plädiert für sachorientierte, an den Bürgerinnen und Bürgern orientierte Politik, denn keine Partei sei vor der Zustimmung der AfD gefeit. Von Thomas Bippes

Andreas Rödder: War seit 2022 Vorsitzender der CDU-Grundwertekommission
Andreas Rödder: War seit 2022 Vorsitzender der CDU-Grundwertekommission

Immer mehr gerät die Union wegen ihres Umgangs mit der AfD in die Defensive. Diejenigen, die die Union kritisieren, verfolgen dabei ganz unterschiedliche Interessen. Während Grüne, SPD und Linke von der Angst getrieben sind, dass die Union den Pakt mit dem Teufel eingeht und rechts-konservative Mehrheiten zimmert, gegen die der Rest der Parteienlandschaft den Kürzeren ziehen wird, hat die AfD den Niedergang der CDU zum Ziel. Da beißt die Maus keinen Faden ab.

Blicken wir nach Europa und schauen uns dort die Entwicklung christdemokratischer und über Jahrzehnte etablierter konservativer Parteien an, wird schnell klar, dass in 13 von 27 EU-Staaten rechtspopulistische und rechtsradikale Parteien zumindest aufgeschlossen haben zu den traditionellen, gemäßigt konservativen Parteien. Keine Frage – die Gründe dafür sind von Land zu Land verschieden. Und dennoch zeigt die Entwicklung eine klare Tendenz. Und das weit über Deutschland hinaus.

Nun äußert sich der Chef der CDU-Grundwertekommission, der Historiker Andreas Rödder, zur Situation der Union. Rödder fordert einen Strategiewechsel. Er will nicht länger über falsche „Brandmauern“ streiten und zeigt sich offen für Minderheitsregierungen im Osten. Die Empörung darüber war so groß, dass Rödder jetzt von seinem Posten zurückgetreten ist. Das zeigt: Tatsächlich ist die Union massiv in die Defensive geraten. Dabei muss sie sich neu verorten, sich über Freund und Feind bewusst sein und endlich in die Offensive kommen.

Vor allem die Grünen sind inhaltlich der Hauptgegner der CDU. Schwarz-Grüne Koalitionsträumereien sollten ab sofort der Vergangenheit angehören. Die CDU würde zu viele Kompromisse eingehen müssen. Ein Seitenblick auf die dramatisch gesunkenen Umfragewerte der FDP in der Ampel lohnt sich in diesem Kontext.

Politische Selbstverleugnung wegen drohender Zustimmung der AfD

Das Problem vieler Mandatsträger der CDU in Bund und auf kommunaler Ebene ist die Bräsigkeit der Merkel-Jahre. Keiner musste sich groß anstrengen, um wiedergewählt zu werden. Man schwamm auf der wohligen Welle der Beliebtheitswerte der damaligen Bundeskanzlerin. Das Motto: Füße stillhalten, bloß keine Kontroversen auslösen und dann klappt das schon mit der Wiederwahl. Viele verwalten ihr Mandat, tauchen zwischen den Wahlen weitgehend ab. So wird das tatsächlich nichts mehr mit der CDU.

Diese bräsigen Merkel-Zeiten – und darüber sollten sich alle in der CDU im Klaren sein – sind für alle Zeit vorbei. Ich wünsche mir eine offensive, parlamentarische Arbeit und Öffentlichkeitsarbeit. Die Union muss eigene Positionen pointiert formulieren und in die Gesellschaft hineintragen. Nur so kann sie die konservative demokratische Mitte für sich gewinnen. Das ist nichts anderes als die vornehmliche Aufgabe von CDU und CSU.

Was bedeutet das konkret für die Arbeit der CDU-Abgeordneten auf allen politischen Ebenen – vom Gemeinderat über den Kreistag bis hin zu Landtagen und dem Bundestag? Die CDU darf ihre eigenen politischen Initiativen nicht ausbremsen, weil sie die Zustimmung der AfD fürchtet. Mit Blick auf aktuelle Umfragen, die die AfD besonders in den ostdeutschen Landesparlamenten je nach Bundesland zwischen 28 und 35 Prozent sieht, müssen sich alle Parteien überlegen, wie sie mit AfD-Leuten in Regierungsverantwortung umgehen sollen. Was tun sie, wenn die AfD alte Anträge der CDU oder auch der SPD auf die Tagesordnung setzt? Das ist ein beliebtes parlamentarisches Spiel aller Parteien, die sich gegenseitig nicht die Butter auf dem Brot gönnen. Sollen sich die etablierten Parteien dann selbstverleugnen oder im Sinne ihrer Wähler Interessen vertreten? Niemand ist vor der Zustimmung der AfD gefeit. Eigene Initiativen wegen Zustimmung der AfD abzulehnen – das wäre das Ende der Funktionsfähigkeit unserer Demokratie.

Gerade in der Kommunalpolitik geht es um lebensnahe Entscheidungen: Müllabfuhr, Wasserversorgung, Schulträgerschaft, Jugendhilfe. Sollen die Mandatsträger bei diesen Themen den Kopf in den Sand stecken, wenn die AfD vertretbare Vorschläge macht? Im Zweifel schaden sie damit raschen Lösungen im Sinne der kommunalen Selbstverwaltung. Diese Situation ist längst da und sie ist auch nicht neu: Die SPD hat lange versucht, eine Brandmauer gegen die Linke aufrechtzuerhalten. Anfang 2008 donnerte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil, es werde „keine Koalition mit der Linkspartei geben“ und nahm dabei den SPD-Landesverband Hessen fest in den Blick. Der Sündenfall sollte nicht lange auf sich warten. Heute bildet die SPD ganz selbstverständlich Landesregierungen mit den Putinverstehern. Darüber redet im Moment nur keiner – und das kann auch kein Vorbild für die CDU sein.

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