Von der Liebe zu einem Gefallenen
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Eija-Riitta will die Mauer zurück. Alles soll wieder sein, wie in den Siebzigern, als sie mit ihrem Mann den Bund fürs Leben schloss. 1979 ließ sich die Schwedin mit der Berliner Mauer vermählen, seitdem trägt sie seinen Namen. Für Eija-Riitta Berliner-Mauer ist der 9. November ein schwarzer Tag.

Sie nennt es das Desaster von 89. Am 9. November machte Eija-Riitta den Fernseher an und musste tatenlos zusehen, wie eine enthemmter Mob grölend auf ihrem Gatten herum trampelt. Ihn beschädigt, löchert, Stücke aus dem Leib reißt. Von diesem Tag an ist sie die Frau eines Gefallenen. Sieben Jahre alt war Eija-Riitta, da trat "er" in ihr Leben. Der Vater hatte gerade den ersten Familienfernseher gekauft, die Bilder des Mauerbaus elektrisierten sie. "Ich sah ihn und dachte: der sieht aber sehr gut aus." Zuvor hatte ihr Vater ein Modell der chinesischen Mauer angefertigt und damit die Leidenschaft für alles Trennende entfacht. Sie hütete es wie einen Schatz. Doch von 1961 an hatte sie Augen nur noch für einen. "Die chinesische Mauer ist dick und unförmig. Die Berliner Mauer aber ist schlank und schön." Anfangs war es nur eine Schwärmerei. Doch 1977 kam es zu einer ersten, schüchternen Annäherung, ein Jahr später reiste sie noch einmal nach Berlin. Am 17. Juni 1979 schließlich nahm sie das Gemäuer zum Gemahl. "Ich glaube nicht an Liebe auf den ersten Blick", sagt Eija-Riitta mit fester Stimme. "Das ist unlogisch." Freunde in der Stadt hatten alles vorbereitet. Eine Standesbeamtin vollzog die Trauung. Eija-Riitta sagte "ja", die Mauer auch (mittels Telepathie). Das Wetter war schlecht, also zog man sich anschließend zu Kaffee und Kuchen in die Wohnung der Freunde zurück. Fünf mal besuchte Eija-Riitta Berliner-Mauer ihren Gatten. Doch nach 1989 kehrte sie nie wieder.