„Demokratischer Sozialismus ist permanente Krise“
Hans-Olaf Henkel, ehemals Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, glaubt nicht, dass Deutschland gestärkt aus der Krise hervorgehen wird. Er warnt die Regierung zugleich vor den geplanten Schulden, sie könnten Deutschland noch schwer in Bedrängnis bringen.

*The European: Ist die Krise vorbei?* Henkel: Ich glaube, dass die Krise noch nicht vorbei ist. Anders als Frau Merkel glaube ich zudem nicht, dass Deutschland aus der Krise gestärkt hervorgehen wird. *The European: Wie kommen Sie darauf?* Henkel: Nachdem Deutschland unter dem Platzen der Immobilienblase gelitten hat, wird es demnächst unter drei selbst gemachten Blasen zu leiden haben: die Beschäftigungs-, die Sozialversicherungs- und die Schuldenblase. Wenn die uns um die Ohren fliegen, dann gnade uns Gott. *The European: Schulden machen, investieren, Wachstum kreieren – eine Sackgasse?* Henkel: Ja. Vor allen Dingen deshalb, weil ich nirgendwo die Überzeugung erkennen kann, dass man irgendwann auch mal anfangen muss zu sparen. Die letzte Regierung, die Große Koalition, hat eine Reihe von Entscheidungen getroffen, die beim Wähler gut angekommen sind, deren negative Folgen aber erst jetzt sichtbar werden. Hier genügt der Blick auf die Abwrackprämie. Und wie hat die schwarz-gelbe Koalition begonnen? Wenn man einmal von der Entscheidung absieht, den wohl kompetentesten Politiker zurzeit zum Finanzminister zu machen, ist da auch nicht viel Erfreuliches dabei. Ich fand es zum Beispiel mehr als enttäuschend, dass die FDP sich für Steuervorteile für Hotelbetriebe eingesetzt hat oder darauf bestanden hat, den Wettbewerb zum Apothekenkartell einschränken zu lassen. Und warten wir mal auf die endgültige Position des Bundeswirtschaftsministers zum Thema Opel. Es gibt eine Fülle von Indizien, die mir zeigen, dass die Regierung nicht die richtigen Konsequenzen aus der Krise gezogen hat. *The European: Ist die richtige Konsequenz denn das, was die FDP vorschlägt?* Henkel: Nicht nur die Vorschläge der FDP sind nicht ganz ausgegoren. Diese gesamte Regierung macht zwei Fehler: Erstens benutzt sie die Krise nicht als Chance, um die Dinge in Deutschland zu ändern, die geändert werden müssen – ich denke hier zum Beispiel an den völlig überzogenen Kündigungsschutz – und zweitens nutzt sie nicht die alte Erfahrung, dass eine Regierung am Anfang ihrer Amtszeit "Grausamkeiten" verkünden und einführen muss, um dann selbst am Ende der Legislaturperiode die Früchte dieser Entscheidungen ernten zu können. *The European: Die FDP hätte das Finanzministerium für sich fordern müssen, oder?* Henkel: Das sehe ich auch so. Nur so hätte sie sich langfristig Einfluss auf eine nachhaltige Finanzpolitik sichern können. Das Wirtschaftsministerium hat schon lange nicht mehr die Bedeutung, die es einmal hatte, als dass man sagen könnte, dieses Ressort zu besetzen, ist ausreichend Kompensation für die Liberalen. Was das Außenministerium betrifft, so gilt das Gleiche. Herr Westerwelle hat 26 Kollegen in der EU und neuerdings eine Art "Chefin" in Brüssel, da kann er sich im Nahen Osten oder in Polen auf den Kopf stellen, das wird die Weltpolitik nicht verändern. Außenpolitik hat nicht mehr den Stellenwert, den sie zu Zeiten des Kalten Krieges einmal hatte.