Ohne Horizont
Deutschland und Frankreich haben sich auseinandergelebt. Wie soll man von zwei Gesellschaften verlangen, zusammen etwas zu bauen, wenn es weder ein gemeinsames Projekt noch ein gemeinsames Ideal gibt?

Es gibt die Tradition, und es gibt die Realität. Die Tradition möchte, dass man die Unverwüstbarkeit des französisch-deutschen Paares als eine Selbstverständlichkeit beteuert, über die nicht diskutiert wird. Die Realität ist eine ganz andere, und sie entwickelt sich bedenklich. Jenseits von politischen Unstimmigkeiten – Unstimmigkeiten, deren Intensität und Tempo nicht aufhören zuzunehmen – haben sich die Gesellschaften unserer beiden Länder immer weiter voneinander entfernt. Und das schon seit 15 Jahren, bis die Beziehung ein Maß der Gleichgültigkeit erreicht hatte, welches es so seit einem halben Jahrhundert nicht gegeben hat. Diese Gleichgültigkeit ist heute dabei, sich in Misstrauen zu verwandeln, um nicht zu sagen in Feindseligkeit. Alle Akteure des „Tandems“ würden so eine Feststellung natürlich als absurd abtun. Sie täuschen sich. Denn die französisch-deutsche Beziehung kann nicht nur Sache einiger Eliten aus Politik und Wirtschaft sein.