Die echte Arschigkeit
Deutsche essen Wurst, trinken Bier und haben weniger Probleme mit der Prügelstrafe als Unpünktlichkeit. Erlebnisse einer Frau, die auf all das keine Lust hat.

Als ich vor ein paar Jahren als Jurymitglied an den Internationalen Filmfestspielen in Sofia teilnahm und gemeinsam mit Franzose, Spanierin, Bulgarin und Serbe in einer fünfköpfigen Jury saß, passierte mir, als Deutsche, die ihr Lebtag chronisch zu spät kam und immer noch kommt, folgende Situation: Ich hetzte, wie üblich, morgens hinunter, mit dem immer zu langsamen Fahrstuhl, stürmte die Rezeption um knappe zehn nach neun – um neun war Abfahrt – und fand gähnende Leere vor. Sie war abgereist, die internationale Jury. Es war zum Kotzen, ey. Ich rannte schweißgebadet zu den Rezeptionisten, die ganz offensichtlich stoned waren, und frug, das „Good Morning“ erst ans Ende des Satzes quetschend, ob die Anderen bereits losgefahren seien. „Who?“ „The Jury members“ – Mensch!!!!! (Ich muss diese vielen Satzzeichen setzen, damit man die Dringlichkeit spürt. Tut mir leid.) „No jury was here, ma’am.“ – oder auch ohne ma’am. Man bedauerte, auf Bulgarisch, mein gehetztes Äußeres. Es nahm mir an Attraktivität und outete mich als Westler. Ich wartete ratlos mittig im Raum.