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Außenpolitik > Der wirtschaftliche Aufschwung zahlte sich für Trump nicht nur bei den weißen Wählern aus

Warum Floridas Latinos Donald Trump wählten

Gereicht hat es für den Präsidenten am Ende mutmaßlich nicht, um im Weißen Haus bleiben zu dürfen. Aber den "Sunshine State" gewann er, weil er Wege fand, jene hispanischen Amerikaner für sich zu gewinnen, die Joe Biden eigentlich sicher auf Seiten der Demokraten wähnte.

Pressekonferenz im Weißen Haus: Ansgar Graw befragt Donald Trump während eines Besuchs von Angela Merkel (März 2017)
Pressekonferenz im Weißen Haus: Ansgar Graw befragt Donald Trump während eines Besuchs von Angela Merkel (März 2017)

Der TV-Wahlspot, von einer kubanoamerikanischen Schauspielerin gesprochen, griff tief in die Grabbelkiste der Klischees: Da taucht der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden nicht nur an der Seite seines vormaligen Mitbewerbers Bernie Sanders auf, einem selbsterklärten „demokratischen Sozialisten“, sondern auch gemeinsam mit Nicolás Maduro, dem venezolanischen Präsidenten und einstigem Hoffnungsträger der globalen Linken. Das Foto war zwar von 2015, es entstand bei einer Konferenz in Brasilien, an der der damalige US-Vizepräsident teilnahm. Aber dem Zuschauer konnte der Spot, in dem auch der marxistische Commandante Che Guevera, neben Fidel Castro Posterboy der kubanischen Revolution, auftauchte, den Eindruck einer zutiefst kommunistischen Gesinnung des Joe Biden vermitteln.

Diese Anzeige des Wahlkampfteams von Donald Trump gehörte zu den Instrumenten, mit denen der Präsident die Hälfte der hispanischen Bevölkerung von Florida auf seine Seite zog  ­– und damit den wichtigen Bundesstaat insgesamt gewann. Obgleich sich mit zunehmender Dauer der Auszählungen in anderen umkämpften Swing States die Wahrscheinlichkeit verdichtet, dass Biden der Sieger der Präsidentschaftswahlen ist und Trump im Januar das Weiße Haus verlassen muss, schmerzt die Niederlage in Florida die Demokraten sehr.

Bei näherer Analyse zeigt sich, dass die Partei im sogenannten Sunshine State jenen Fehler wiederholten, den sich vier Jahre zuvor Hillary Clinton vor allem im Mittleren Westen geleistet hatte. Sie hielt die Menschen in Michigan oder Wisconsin und im mittatlantischen Pennsylvania für zuverlässige Stammwähler der Demokraten, um deren Stimmen sie im Wahlkampf 2016 nicht gesondert warb. Prompt brach der Außenseiter Trump in diese vom Niedergang alter Industrien und von hoher Arbeitslosigkeit gebeutelten Regionen ein und sicherte sich so seinen überraschenden Sieg.

Diese Botschaft hatte Biden begriffen. Er startete seinen offiziellen Wahlkampf im Mai 2019 in Pennsylvania und tourte danach eifrig vor allem durch den mittleren Westen mit seiner zentralen Botschaft, die tief gespaltene Nation wieder zu versöhnen. Aber er verbrachte kaum Zeit in Florida. Den dortigen Hispanics schien er keinerlei Beachtung zu schenken. Diese Gruppe hielt er für „garantiert“, weil ihn die Umfragen bei Minderheiten wie Latinos und Afroamerikanern weit vorne sahen. Die Gewissheit verstärkte sich, als es in diesen oft einkommensschwachen Gruppen einen hohen Anteil an Corona-Toten gab. Dafür machten die Amerikaner vor allem den desinteressierten Umgang des Präsidenten mit der Pandemie verantwortlich.

Was Kubaner von Mexikanern unterscheidet

Doch Hispanics sind eben nicht Hispanics. Während niemand eine einheitliche Wahlentscheidung „der Weißen“ in den USA anmahnen würde, wird von Amerikanern mit spanischer Muttersprache oder dunkler Hautfarbe oft ein weitgehend einheitliches Abstimmungsverhalten erwartet. Aber die Zahl der Single Issue Voters, Wähler also, die nur einem Thema verpflichtet sind, ist gering. Es gibt vermögende oder dem Mittelstand angehörende Hispanics, die in ihrem Umfeld nicht mehr Covid-19-Opfer zählen als die meisten Weißen. Und ein Exilant aus Kuba, ob in erster, zweiter oder dritter Generation, teilt zwar den sprachlichen Hintergrund, nicht aber allzu viele politische Überzeugungen mit einem Migranten aus Mexiko.

Das Trump-Team hatte das begriffen. Darum umwarb es in Florida ganz gezielt die kubanischstämmigen Wähler, die aus einer sozialistischen Diktatur geflohen waren. „Der Sozialismus ist das Herzstück der Biden-Kampagne, nicht das Herzstück Amerikas“, warnte der Präsident im August. „Denken Sie daran, wir werden niemals ein sozialistisches Land sein.“ Bei einem Wahlsieg des Demokraten würden „Chaos und Sozialismus“ Einzug halten.

Das war mehr als nur Wahlkampf. Schon in seinen ersten beiden Jahren im Weißen Haus hatte Trump Verfügungen des verhassten Vorgängers Barack Obama zur Normalisierung der Beziehungen zu Kuba gestoppt. Das betraf Reiseerleichterungen und die Möglichkeit unternehmerischer Investitionen auf der Karibikinsel. Das sei ein „komplett einseitiger Deal zugunsten Havannas“ gewesen, kritisierte der Präsident bereits im Juni 2017 vor jubelnden Exil-Kubanern in deren Hochburg Miami, wo er seine neuen Restriktionen ankündigte. Die Einfuhr begrenzter Mengen Rum und Zigarren aus Kuba limitierte Trump vorsichtshalber nicht – denn diese Möglichkeit nutzen auch die Kubaner in Florida bei ihren Verwandtenbesuchen gern.

Biden am Haken der extremen Linken?

Der antisozialistische Zungenschlag des Präsidenten sprach auch die Migranten aus Venezuela an. Entsprechende Internet-Spots in spanischer Sprache, oft unterlegt mit karibischen Klängen und südamerikanischem Flair, wurden in den sozialen Medien offensiv verbreitet. Mitunter nahm Trump seinen Herausforderer Biden vom expliziten Vorwurf des Sozialismus aus, suggerierte aber, der Kandidat „hängt am Haken der extremen Linken“ – und dazu rechnete er neben Biden auch Vizepräsidentschaftskandidatin Kamala Harris. Sie gehört, wie Biden, dem moderaten Flügel der Demokraten an. Aber tatsächlich hatte sie im Vorwahlkampf für eine rein staatliche Krankenversicherung plädiert, was privat versicherte Amerikaner der Sorge aussetzte, unter einer demokratischen Präsidentschaft einer anonymen Gesundheitsbürokratie ausgesetzt zu werden.

Im Werben um hispanische Stimmen half Trump seine erfolgreiche Wirtschaftspolitik, die vor Corona zur Senkung der Arbeitslosenquote auf einen 50-Jahre-Tiefststand im Land geführt hatte. Von der Nachfrage nach Arbeitskräften profitierten auch Amerikaner mit geringer Bildung, darunter Hispanics und Afroamerikaner. Das half dem Präsidenten außer in Florida auch in Staaten wie Texas, New Mexico oder Nevada.

US-weit verbesserte Trump seinen Wähleranteil unter den Hispanics um drei Prozentpunkte, bei den Älteren aus dieser Gruppe gar um 15 Punkte. Afroamerikaner zwischen 30 und 44 Jahren unterstützten den Präsidenten gar um 11 Prozentpunkte mehr als vor vier Jahren.

In Florida stieg der hispanische Wähleranteil für Trump von knapp 30 Prozent 2016 auf diesmal nahezu 50 Prozent. Seine harsche Kritik an illegalen Zuwanderern, die er seit dem Auftakt seines ersten Wahlkampfs im Juni 2015 regelmäßig in die Nähe von „Vergewaltigern und Drogenschmugglern“ rückt, tat dem keinen Abbruch. Viele Hispanics fürchten weitere Zuwanderung eher als dass sie diese begrüßen.

Hispanics hoffen nicht auf soziale Wohtaten

Der Trend war auch andernorts zu beobachten. Im texanischen Starr County, dessen Einwohner zu 99 Prozent Hispanics sind, votierten 2016 nur 19 Prozent für Trump. In diesem Jahr gewann der Präsident dort fast jede zweite Stimme.

Trumps Propaganda gegen den „Sozialisten“ Biden zahlte sich also für ihn aus. Aber das war nicht der einzige Grund für seinen Erfolg. Der Zuspruch für den Präsidenten wuchs ja auch bei Schwarzen und bei anderen hispanischen Gruppen bis zur sehr kleinen Minderheit der Peruaner, für die ein starker Staat eher positiv besetzt ist und nicht mit Kommunismus assoziiert wird. Das zeigt, dass viele Migranten weniger auf karitative Gaben oder höhere Sozialhilfe der Regierung setzen. Sie hoffen auf bessere Möglichkeiten, um einen Arbeitsplatz zu finden und selbst unternehmerisch tätig zu werden, angefangen bei einem kleinen Lebensmittelgeschäft oder einer karibischen Bar.

Trump haben seine Gewinne bei den Hispanics in Florida und anderswo am Ende offenkundig keine vier weiteren Jahre im Weißen Haus gesichert. Aber sie sollten den Demokraten zeigen, dass den Wählern gerade in der aktuellen Wirtschaftskrise neben der Bewältigung der Pandemie vor allem die Ökonomie am Herzen liegt. „It’s the economy, stupid“, es geht um die Wirtschaft, Dummkopf, diese Parole des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Bill Clinton aus seinem erfolgreichen Wahlkampf 1992 gegen George H.W. Bush wurde am 3. November keineswegs widerlegt.

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