Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
> Der Vorwurf der Gleichmacherei

Das Warjaschonimmerso

Artikel vom

Was nervt eigentlich so viele Leute an der Idee, alle Menschen gleich zu ­berechtigen? Eine Spurensuche.

The European

Ich habe einen schlimmen Verdacht: Immer wenn ich mich mit meinen ­Mitmenschen über das Für und Wider von Gleichberechtigung streite, reden wir nicht nur von völlig verschiedenen Dingen, sondern das Gespräch verläuft so, als würden wir unterschiedliche Sprachen sprechen. Das beginnt schon bei der ­Begrifflichkeit. Kaum setze ich zu einem Argument an, schallt mir entgegen, das sei doch alles nur Gleichmacherei und wie ich mich für so etwas nur einsetzen könne. Dabei liegt mir nichts ferner als das. Im Gegenteil: Für mich bedeutet Gleich­berechtigung, Menschen nicht trotz ihrer Unterschiede zu egalisieren, sondern ihnen gerade wegen ihrer grundsätzlichen Verschiedenheit auf der Basis einer unteilbaren Gleichheit an Würde ein gleiches Maß an Rechten und Teilhabe zuzusprechen. Sie besteht nicht darin, dass bestehende Unterschiede verleugnet oder durch pädagogische Maßnahmen wegerzogen werden sollen, sondern vielmehr darin, Differenz wertzuschätzen, ohne sie dabei zu institutionalisieren. Oder, um mich der Bildsprache der Vorwürfe zu bedienen: Leute wie ich wollen­ nicht aus kleinen Jungen Mädchen ­machen und umgekehrt, weil das ja ­bedeuten würde, gerade an den Kategorien und Konzepten als unverrückbar festzuhalten, die wir als vermittelt identifizieren. Wir wollen auch nicht den Mann zur Hausfrau umerziehen und die Frau zum mit allen Wassern gewaschenen und in allen Waffengängen geschulten Karrieremann transformieren. Stattdessen sind wir davon überzeugt, dass die einen wie die anderen ihr Menschenmöglichstes tun, wenn man sie denn lässt.

Ihr mit eurer verdammten Gleichmacherei!
Trotzdem! Nichts da! Gleichmacherei! Wie ich es auch anpacke, jede Auseinandersetzung um das Thema Gleichberechtigung mündet in der Wahrnehmung der Gegenseite, ich würde es darauf anlegen, Menschen aufgrund meiner Überzeugungen ihrer Freiheit zu berauben. Der Freiheit, sich wie ein „richtiger“ Mann zu verhalten oder wie eine „echte“ Frau. Wie kommt das? Warum wird das Aussprechen gegen Zwänge, sich auf eine bestimmte Art und Weise konform verhalten zu müssen, als Verwahrung dagegen, sich konform verhalten zu dürfen, verstanden? Als Überzeugungstäter kann mir die Antwort auf diese Frage nicht gleich sein, weil ich mich ja um das Ergebnis bemühe. Es bringt demnach rein gar nichts, der ­Gegenseite grundsätzlich böse Absicht und mangelnde Intelligenz zu unterstellen. Stattdessen muss ich mich damit abfinden, jemandem offensichtlich etwas wegzunehmen, obwohl ich es überhaupt nicht darauf angelegt habe. Vielleicht komme ich ja so dahinter. Möglicherweise ist es ja gar nicht die Freiheit der Einzelnen, sich konform verhalten­ zu dürfen, sondern die Unwidersprochenheit gerade dieser Konformität, in die sie sich fügen wollen. Wenn „einfach normal“ plötzlich nicht wünschenswerter ist als alle anderen Lebensentwürfe, sondern nur noch als eine Möglichkeit unter vielen rangiert, dann wird die Selbstverständlichkeit von „einfach normal“ relativiert. Und fühlt sich von mir möglicherweise sogar in Abrede gestellt. Denn das Problem mit Privilegierung jeder Art ist, dass sie immer auch suggeriert, man hätte sie sich irgendwie verdient. Die Bessergestellten müssen den Status quo rechtfertigen. Zwei Sachen fallen dabei besonders auf. Zum einen frage ich mich, was die ­Betreffenden eigentlich mehr nervt: dass jemand ihre Privilegien einkassieren will oder dass die Rechtmäßigkeit der Privilegierung infrage gestellt wird? Zum ­anderen betreiben gerade diejenigen, die Gleichberechtigungsbefürwortern Gleichmacherei unterstellen, innerhalb der ­Kategorien eben genau jene. Männlein zu Männlein und Weiblein zu Weiblein. Mars, Venus, Jäger, Heimchen, Warjaschon­immerso. Nächstens werde ich das also immer gleich zurückgeben: Ihr mit eurer verdammten Gleichmacherei!
Kommentare (0)
Keine Kommentare gefunden!
Neuen Kommentar schreiben