Schindluder mit dem Gerechtigkeitspostulat
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Wie verquer viele Spitzenpolitiker in Sachen Gerechtigkeit denken, erlebte man zuletzt beim Thema Solidaritätszuschlag in den Jamaika-Gesprächsrunden. Doch mit dem Gerechtigkeitspostulat wurde in der Politik schon oft Schindluder getrieben.

Die FDP wollte ihn – vergeblich - innerhalb einer Wahlperiode abschaffen. Union und Grüne bremsten, weil ihnen der jährliche Einnahmenverlust von derzeit 18 Milliarden Euro die Mittel für neue Ausgabenwünsche geraubt hätte. In der mutmaßlichen Neuauflage der Großen Koalition aus Union und SPD ticken die Akteure erst recht so. Doch dieses ehrliche Argument wird öffentlich kaum bemüht. Stattdessen richtet sich ein Ungerechtigkeitsvorwurf an die Adresse der Soli-Abschaffungsbefürworter. Es sei doch unerhört, dass nur höhere und höchste Einkommen entlastet würden. Denn den Soli als 5,5 Prozent-Zuschlag auf die Lohn- und Einkommensteuer bezahlten Ehepaare mit zwei Kindern erst dann, wenn sie mehr als 50.000 Euro Jahresbruttoeinkommen erzielten. Für kinderlose Steuerpflichtige, die als Single weniger als 1.500 Euro monatlich oder als Verheiratete weniger als 2.800 Euro brutto verdienten, falle überhaupt kein Soli-Zuschlag an. Weil auch die Unternehmen auf die Körperschaftssteuer den Soli-Zuschlag abführen müssen, würde eine Entlastung also nur Höherver-dienern und Wirtschaft nützen.