Sparen war gestern
In jüngster Zeit pushen die Notenbanken, die früher für solide Geldpolitik sorgten, die sorglose Verschuldung. Sie schafften den Zins ab, was hohe Staatsschulden erträglicher macht. Der Pumpkapitalismus feiert fröhliche Urständ.

Reumütig muss ich bekennen, dass ich mein ganzes politisches Leben lang wohl auf dem falschen Dampfer war. Bereits zu meinen Grünen Bundestagszeiten stimmte ich das Hohe Lied auf eine nachhaltige Finanzpolitik an. Mein Motto, das ich wie eine Monstranz vor mir hertrug, lautete: Mensch, lebe so, dass unsere Nachkommen auch noch ein gutes Leben haben können und nicht nur für unsere Renten und unsere Schulden arbeiten müssen. Moralisch fühlte ich mich auf der guten Seite. Das süße Gift der Staatsverschuldung konnte mich nicht verführen. Ich hielt es lieber mit Ludwig Erhard und seiner Mahnung: Alle Wohltaten, die wir Politiker euch Bürgern versprechen, müsst ihr zunächst und vor allem selbst bezahlen. Aus dieser Erkenntnis folgte seine Kernbotschaft, dass alles, was verteilt wird, erst einmal erwirtschaftet werden muss. Ich fand, dass er damit einen marktwirtschaftlichen Kausalzusammenhang auf einen einfachen, aber zutreffenden Nenner gebracht hatte. Dumm nur, dass man mit dieser Haltung immer in der Minderheit ist. Denn Abgeordnete wollen ja nicht fürs Haushalten gewählt werden, sondern fürs Geldausgeben. Selbst das Volk ist schizophren, weil es zwar laut Umfragen gegen neue Schulden ist, aber gleichzeitig auch Kürzungen bei den Ausgaben ablehnt. Natürlich hört es auch gern, wenn ihm Steuersenkungen versprochen werden. Der Kopf und Adam Riese spielen bei diesen unauflösbaren Widersprüchen offenbar keine Rolle. In jüngster Zeit pushen die Notenbanken, die früher für solide Geldpolitik sorgten, die sorglose Verschuldung. Sie schafften den Zins ab, was hohe Staatsschulden erträglicher macht. Selbst der glückliche Wolfgang Schäuble erreicht die schwarze Null nur deshalb, weil sich die Zinsausgaben im Bundeshaushalt innerhalb von fünf Jahren mehr als halbiert haben. Die Konsumenten konsumieren, weil sich klassisches Sparen nicht lohnt. Dafür bilden sich erkennbar Preisblasen im Immobiliensektor, aber auch an den Kapitalmärkten. Und die Staats- wie die Privatverschuldung wachsen global immer weiter. Der Pumpkapitalismus feiert fröhliche Urständ. Vollends auf dem Holzweg bin ich jetzt angesichts des Siegeszugs der als „Populisten“ titulierten Wahlsieger, ob sie Donald Trump oder AfD heißen. Weil sie angeblich vor allem von den Abgehängten gewählt werden, wollen die etablierten Parteien jetzt überall mit frischem Geld, höheren Sozialleistungen und staatlichen Megainvestitionen für bessere Stimmung sorgen. Auf Pump sollen die Protest-Wähler von der politischen Abtrünnigkeit abgehalten werden. Gegen dieses neue Label für das vertraute Schuldenmachen ist im Wahljahr kein Kraut gewachsen. Da hilft mir nur ein Metzgergang. * laut Duden: vergeblicher Gang; erfolgloses Unternehmen; einen Metzgergang machen (keinen Erfolg haben)