„Der Sündenbock von Kopenhagen war die Menschheit“
Artikel vom
Im Interview mit The European erklärt der Chef des UN-Klimasekretariats, Yvo de Boer, warum er auch nach Kopenhagen weiterhin an ein Abkommen glaubt und wieso nicht China, sondern die Menschheit der Sündenbock von Kopenhagen ist. Das Gespräch führte Benno Müchler.

*The European: Herr de Boer, Präsident Obama hat kürzlich auf PBS NewsHour gesagt, dass im Kopenhagen-Akkord nichts steht, was garantiert, dass die Emissionen über die nächsten 40 Jahre gesenkt werden. Teilen Sie seine Meinung?* De Boer: Der Akkord ist mit Sicherheit kein verbindlicher Vertrag. Aber er steht für einen sehr wichtigen politischen Schritt, den wir jetzt noch zu einem bindenden Abkommen formen müssen. Beispielsweise hat Brasilien seine Klimaziele jetzt in nationales Recht übertragen und auch Südkorea ist gerade dabei. *The European: In welchen Punkten hat Kopenhagen denn die Verhandlungen vorangebracht?* De Boer: Im Punkt der durchschnittlich notwendigen Reduktionen, der Finanzierung, der Form eines gerechten Klimaregimes und in puncto Überwachung der Reduktionsleistungen. Auch wenn wir damit in Kopenhagen nicht den Kuchen gebacken haben, kennen jetzt doch alle Staaten die nötigen Zutaten. *The European: In der Summe war der Gipfel sehr enttäuschend. Sehen Sie da nicht die Gefahr, dass sich die Hauptemittenten außerhalb des UN-Klimaregimes einigen könnten, wo das doch offensichtlich so schwierig ist am Tisch von 192 Staaten?* De Boer: Nein, absolut nicht. Und ich sage Ihnen auch warum. Ich habe nach Kopenhagen mit einer ganzen Reihe von Verhandlungsparteien gesprochen, unter anderem mit China, Indien, Brasilien, den USA und der Europäischen Union. Und alle haben mir versichert, dass sie kein Interesse daran haben, einen neuen Verhandlungsweg außerhalb des Regimes einzuschlagen. Das wäre auch höchst ineffizient. Denn in den vergangenen Jahren ist unter unserem Dach eine gewaltige Infrastruktur entstanden, die essenziell für die Begleitung der Verhandlungen mit wissenschaftlichen und ökonomischen Informationen ist.