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> Der europäische Traum wird wahr

Der Sound der Demokratie

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Warum reden wir ängstlich von einer Krise der EU, wenn wir gleichzeitig die Umsetzung des alten europäischen Traumes beobachten können? Europa müsse politisch werden, hieß es immer; Europa müsse näher an die Menschen heran; Europa müsse mehr sein als Brüssel. Das tut manchmal weh. Aber Demokratie war noch nie etwas für schwache Nerven.

The European

Jahrzehntelang war das Projekt Europa geprägt von eingefleischten pro-europäischen Eliten, von Geschäftsleuten, Bauern, Fischern, Eurokraten und Experten. Oder, anders ausgedrückt: Europa war ein Projekt, das nicht von gewöhnlichen Menschen wie mir und dir vorangetrieben wurde. Auch wenn die Idee des paneuropäischen Wirtschaftsraumes unter der magischen Zahl „1992“ kurzzeitig Teil des öffentlichen Diskurses war, haben nur wenige Menschen wahrgenommen, dass sie mit dem Vertrag von Maastricht zu Bürgern Europas wurden. Knapp 300 Millionen zuckten mit den Schultern.

Nationale Politik wird europäisiert
Heute werden die Entwicklungen in Athen von Menschen und Politikern in ganz Europa intensiv verfolgt. In drei EU-Mitgliedstaaten – Irland, Portugal und der Slowakei – sind die Regierungen über die Frage der Griechenlandhilfen gestolpert. In Finnland wurde die Regierungskoalition unter anderem um die Frage geformt, welche Rolle das Land in finanz- und wirtschaftspolitischen Fragen auf europäischer Ebene zu spielen gedenke. Fast jede Woche bringt das Fernsehen in Deutschland oder den Niederlanden lange Beiträge zur überfälligen Euro-Debatte. Was passiert? Erleben wir die Renationalisierung der europäischen Politik, wie manche befürchten? Nein, das Gegenteil ist der Fall. Nationale Politik wird europäisiert. Die Erkenntnis setzt sich fest, dass Entscheidungen eines Mitgliedstaates weitreichende Auswirkungen auf die anderen Mitgliedstaaten haben können. Die Grenzen von Italien und Malta sind auch die Außengrenzen von Schweden und Polen. Haushaltsdefizite in Spanien oder Frankreich können irgendwann auch die Politik in Österreich oder Luxemburg beeinflussen. Die daraus resultierenden Debatten sorgen für Spannungen und Krisenschluckauf – aber letztendlich werden sie die Union stärken. Die europäische Öffentlichkeit ist aus dem Schlummer des passiven Abnickens aufgewacht und drängt Regierungen und Parlamente, endlich zu handeln. Die aktuelle Debatte um europäische Haushaltspolitik ist ein gutes Beispiel dafür: Manche fürchten, dass Regierungen es wieder schaffen werden, die Empfehlungen der EU-Kommission wie in der Vergangenheit zu verwässern. Doch sie vergessen, dass es ein neues Zahnrad im Getriebe gibt: die Milliarden, die von den EU-Mitgliedstaaten in den Rettungsfonds EFSF investiert worden sind. Wenn die bestehenden Regeln weiterhin lax gehandhabt werden und ein weiteres Land nach Krediten verlangt, würden die betreffenden Politiker sich in einer schwierigen Lage wiederfinden. „Wie konnte das passieren?“, würden die Medien fragen. Die kritische öffentliche Meinung ist nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung für Europas Probleme.
Ein neuer Blickwinkel auf Europa
Das bedeutet, dass EU-Experten und Wissenschaftler ihre Sichtweise verändern müssen. Um zu sehen, wo heute europäische Politik gemacht wird, müssen wir die starre Unterscheidung zwischen öffentlicher Debatte und zwischenstaatlicher Diplomatie aufgeben. Es ist nicht davon auszugehen, dass eines Tages eine europäische Zivilgesellschaft in Brüssel geboren wird. Nein, Europa funktioniert anders: 27 nationale Demokratien haben sich auf Rufweite einander angenähert. Anstatt aufeinander zu schießen, reden wir miteinander. _Übersetzt aus dem Englischen. Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem "Blog des Dahrendorf-Symposiums":http://blog.dahrendorf-symposium.eu, einem Medienpartner von The European. Das Dahrendorf Symposium 2011 findet unter dem Motto „Changing the Debate on Europe – Moving Beyond Conventional Wisdoms” vom 9. bis 10. November in Berlin statt._
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