An der medialen Heimatfront
Artikel vom
Black Hawk Down als deutsche Produktion? Nur noch eine Frage der Zeit, denn deutsche Kriegshelden lassen sich wieder verkaufen.

bq. „Der Krieg ist schrecklich, wie des Himmels Plagen, Doch er ist gut, ist ein Geschick, wie sie.“ (Schiller) Das Fernsehen sagt, auf seine Weise, immer die Wahrheit. Dass Deutschland in Afghanistan nicht humanitär interveniert, einem regionalen Konflikt mit gegebenenfalls auch militärischen Mitteln begegnet oder wie immer die Verschleierungsformeln gelautet haben, wusste das Fernsehprogramm vom Mittwoch: "„Auslandseinsatz. Kriegsfilm, D 2012“(Link)":http://www.ardmediathek.de/das-erste/filmmittwoch-im-ersten/auslandseinsatz-fsk-ab-20-uhr?documentId=12149816. Zwar war schon vorher der kriegsähnliche Einsatz am Hindukusch im Fernsehen verwurstet worden, aber da war es eher um traumatisierte Heimkehrer gegangen und also darum, wie die Heimat mit ihren Helden umgeht. Nämlich im Zweifel, wie das in Fernsehfilmannoncen heißt, verständnislos. Jetzt durften deutsche Soldaten (und eine Soldatin) in Afghanistan tatsächlich über 90 Minuten Dienst tun, und es bildet das diskursive Zwischenreich, in dem sich das wehrhafte Vaterland befindet, treffend ab, dass zwar einerseits geschossen wurde, und zwar scharf, und zwar mit tödlichem Ausgang, dass der deutsche Fernsehsoldat aber ein Vorbild an Reflexion und Gewissensqual ist, der durchaus nicht weiß (und darüber leidenschaftlich mit den Kameraden diskutiert), „wie sinnvoll“ sein Einsatz ist; und nach dem ersten Blattschuss erst einmal nach Luft schnappt. Ein Bürger in Uniform, der das Gute will, aber von der Frage umgetrieben wird, ob er dabei vielleicht das Böse schafft. Im Fernsehfilm „Auslandseinsatz“ ist „Krieg“ erst mal bloß Diskursmunition, die Verlängerung jener Talkrunden, in denen die Heimatfront über Sinn und Unsinn von Kriegseinsätzen debattieren darf, und hier wie da lautet das Fazit, dass Krieg natürlich doof sei, aber hin und wieder nötig, damit am Arsch der Welt die Mädchen zur Schule gehen dürfen. Die Menschen nicht im Stich zu lassen, das ist das Argument, das die junge deutsche Entwicklungshelferin wider die Zweifel ihrer Soldaten parat hat; wie recht sie hat, beglaubigt ihre Entführung und Ermordung durch talibanesische Rübenbärte. Vorher dürfen drei Soldaten aber noch befehlswidrig ein Rettungskommando starten, das Thesen- zum Genrekino weitend; und da der moderne deutsche Soldat keine stur funktionierende Befehlsempfangsmaschine mehr ist, siegt natürlich die Moral und können immerhin zwei Mädchen aus den Fängen der Taliban gerettet werden. Dafür ist die unehrenhafte Entlassung aus der Bundeswehr natürlich kein zu hoher Preis, und der Vorgesetzte sagt, privat zolle er Anerkennung und Respekt. Allein, die Vorschriften! Fast fängt er an zu weinen. Was haben wir gelernt? Erstens, der Krieg ist gut, denn die geretteten Mädchen können zur Schule. (In der anschließenden Talkrunde besteht der Kriegskritiker Todenhöfer darauf, das dürften afghanische Mädchen sowieso, selbst unterm Taliban; unterm Russen, nebenbei, durften sie es auch schon, aber gegen den hat man die Taliban ja einst mit Waffen versorgt.) Zweitens, wenn schon Krieg, dann doch bitte mit diesen blonden Prachtkerlen, die schon mal einen Befehl verweigern, sich beim Brunnen- und Schulbau beweisen und helfen, wo sie können, während der Ami, dem das Glück afghanischer Kinder halt egal ist, ohne viel Federlesens und aus purer Einsatzraison einen afghanischen Jungen erschießt und sich deshalb auch nicht wundern muss, später per Selbstmordattentat in die Luft zu fliegen; statt zum besten Freund des Dorfältesten zu werden wie sein deutscher Kollege. (Man soll mit Goebbels-Vergleichen ja nicht um sich werfen, aber hier lässt es sich schwer vermeiden.) Und drittens, dass „Krieg“ auch als zeitgenössischer in der deutschen Populärkultur angekommen ist und auf die begleitende Talkrunde in Zukunft verzichtet werden kann: Der Binse folgend, dass auch Antikriegsfilme (oder, in unserem Fall, die „Lindenstraße“ im Tarnanzug) Kriegsfilme sind, insbesondere, wenn es Action hat und Helden, Tragik und schöne Frauen, markiert ein solcher Kriegsfilmmittwoch im Ersten als normal, was nun einmal Normalität ist: bq. „In meiner Einschätzung sind wir insgesamt auf dem Wege, in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe, mit dieser Außenhandelsabhängigkeit, auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren.“ (Horst Köhler, 2010) Und, versteht sich, die Mädchenbildung voranzubringen.